Zur Vergleichbarkeit von Referenzen

Zur Vergleichbarkeit von Referenzen

Zur Vergleichbarkeit von Referenzen

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 10 Min

Das OLG Jena hat mit Beschluss vom 19.02.2025 – Verg 10/24 – u.a. folgendes entschieden:
1.. Für die Vergleichbarkeit erforderlich, aber auch ausreichend ist die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.
2. Die referenzierte Leistung muss im Zeitpunkt der Abgabe nicht vollständig erbracht sein. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren "passgenauer" Ablauf letztlich zufällig ist, kann der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt.
3. Dass der Referenzauftrag auf einer festgestellt rechtswidrigen Vergabe beruht, ist irrelevant.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte bereits 2022 einen Dienstleistungsauftrag im Winterdienst sowie für die Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Darin hatte der AG zum Eignungsnachweis für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Vorlage von geeigneten Referenzen der in den letzten drei Jahren erbrachten wesentlichen Leistungen sowie für den Winterdienst die Erklärung gefordert, dass in mindestens drei Fällen vergleichbare Leistungen vom Bieter erbracht worden waren. Nachdem das Verfahren schon Gegenstand mehrerer Nachprüfungsverfahren war, sollte Bestbieter A den Zuschlag erhalten. Bieter B bezweifelte, ob die von A vorgelegten Referenzen mit dem Auftragsgegenstand hinreichend vergleichbar wären und beantragte Nachprüfung. Die Vergabekammer (VK) gab B Recht, da der AG seiner Dokumentationspflicht nicht vollumfänglich nachgekommen sei; so habe es an der unmittelbaren Nachvollziehbarkeit der Vergleichbarkeit der Referenzen gefehlt. Der AG wehrte sich dagegen mit sofortiger Beschwerde zum OLG.
Das OLG hebt die Entscheidung der VK auf und gibt dem AG Recht – mit folgenden Argumenten: Zweck von Referenzen i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV sei es, die tatsächliche Fähigkeit des Bieters zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung nachzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung handele es sich bei dem Begriff "vergleichbare Leistung" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen sei. Dabei bedeute die Formulierung "vergleichbar" nicht "gleich" oder gar "identisch", sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hätten. Die Referenzen für die Ausführung vergleichbarer Leistungen seien Teil einer Prognosegrundlage für die (spätere) Phase der Leistungserbringung.

Daher gehe es nicht um einen "1:1" - Vergleich bereits abgearbeiteter Aufträge mit dem zu vergebenden Auftrag, sondern allein darum, ob im Hinblick auf bereits durchgeführte Aufträge die Prognose gerechtfertigt sei, dass die fachliche und technische Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben sei. Diese Auslegung des Begriffs der "Vergleichbarkeit" werde auch regelmäßig dem Sinn des Vergabeverfahrens und dem Wettbewerb gerecht, da anderenfalls alle Bewerber, die die ausgeschriebene Leistung bisher nicht oder nicht so in ihrem Programm hätten, von vornherein ausgeschlossen seien. Erforderlich, aber auch ausreichend sei deshalb die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähnelten, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichten.
Anzulegen sei mithin (nur) ein Ähnlichkeitsmaßstab (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 7.2.2024 - Verg 23/23). Es komme - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatzes aus § 97 Abs. 1 GWB - gerade nicht auf eine völlige oder auch nur weitgehende Übereinstimmung früherer Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung an, sondern allein auf die kategoriale Vergleichbarkeit. Erforderlich sei allein, dass die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnele, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffne. Zu diesem Zweck müsse jedenfalls ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen der referenzierten Leistung und der ausgeschriebenen Leistung bestehen.
Bei der Anwendung dieses Maßstabs komme dem AG, der regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung verfüge, ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Überprüfung der Vergleichbarkeit sei deshalb darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden sei sowie allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden seien und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt hätten. Dies sei hier der Fall.
Zutreffend habe es die VK ungeachtet der Formulierung des § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV ("früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge") nicht beanstandet, dass der AG eine Referenz berücksichtigt habe, die auf einem zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch nicht vollständig erbrachten Auftrag beruhte. Das Ziel des Nachweises der tatsächlichen Befähigung zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags setze nicht voraus, dass die betreffenden Referenzen sich auf abgeschlossene Aufträge bezögen. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren "passgenauer" Ablauf letztlich zufällig ist, könne der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt sei. Damit schieden soeben begonnene Aufträge als Referenz aus, die aber hier nicht in Frage stünden.
Auch die Berücksichtigung der Referenz zur Störungsbeseitigung sei nicht zu beanstanden. Dass der betreffende Auftrag auf einer festgestellt vergaberechtswidrigen Interimsvergabe beruhe, sei im Hinblick auf die Zielrichtung als Eignungsnachweis unerheblich. Andernfalls würde dem Bieter ein ihm nicht zuzurechnender Vergaberechtsverstoß eines öffentlichen Auftraggebers angelastet. Es gehe jedoch nicht um den Nachweis umfassender Rechtmäßigkeit früherer Beauftragungen, sondern um denjenigen der Befähigung zur Leistungserbringung durch den Bieter. Diese wiederum sei von der Rechtmäßigkeit einer Beauftragung unabhängig.


Anmerkung:

Die Vergleichbarkeit von Referenzen gibt immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen bis – wie hier – zum OLG. Um diese möglichst zu vermeiden, sollte der öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung auch die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der von ihm geforderten Referenzen möglichst präzise definieren. Letztlich gilt auch hier: Je mehr Sorgfalt bei Vorbereitung des Verfahrens, desto weniger Probleme im Verfahren!