Wer trägt das Baugrundrisiko?

Wer trägt das Baugrundrisiko?

Wer trägt das Baugrundrisiko?

  • Vergaberecht & Baurecht
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Welche Vertragspartei das sogenannte Baugrundrisiko zu tragen hat, ist in erster Linie durch Auslegung der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen zu bestimmen. Stellt sich dabei das Baugrundrisiko so dar, wie es im Vertrag beschrieben ist, können Mehrkosten nicht geltend gemacht werden. Dies hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 06.11.2024 (Az.: 4 U 89/21) entschieden.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber, beauftragt AN mit der Herstellung von Abwasserkanälen im Tunnelvortrieb. In den Ausschreibungsunterlagen des öffentlichen Auftraggebers befindet sich ein Bodengutachten, nach dem im Trassenbereich von "schwach abrasiven Böden bis zu extrem abrasiven Bodenschichten" auszugehen ist, außerdem habe der Boden "überwiegend ein mittleres bis hohes Verklebungspotential". AN ist nach Abschluss der Baumaßnahme der Auffassung, der vorgefundene Baugrund habe in Bezug auf die Abrasivität und das Verklebungspotenzial nicht dem vertraglich vereinbarten Baugrund entsprochen. Er verlangt daher Mehrvergütung in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR.

Das Urteil: Weder vor dem Landgericht noch vor dem OLG hat AN Erfolg. Zunächst stellt das OLG fest, dass das Baugrundgutachten, welches der Ausschreibung zugrunde lag, für die Preiskalkulation erheblich und damit Vertragsinhalt geworden sei. Weiter stellt das OLG im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH fest, dass zur Beantwortung der Frage, wer das Baugrundrisiko trage, der Vertrag sorgfältig auszulegen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber entsprechend § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VOB/A dem Auftragnehmer regelmäßig kein ungewöhnliches Risiko auferlegen will. Im vorliegenden Fall ergebe jedoch die Auslegung des Vertrages, insbesondere des Bodengutachtens, dass der Auftragnehmer hier eine nicht kalkulierbare Leistung zu einem bestimmten Preis übernehmen sollte. Zwar lasse die Beschreibung "schwach abrasive bis zu extrem abrasiven Böden" und "mittleres bis hohes Verklebungspotenzial" keinen Schluss darauf zu, welche Böden zu kalkulieren seien. Selbst wenn dies aber einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3 VOB/A darstellen sollte, so führe dieser nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Tatsächlich habe der vorgefundene Boden auch der - sehr vagen und allgemeinen - Beschreibung des Bodengutachtens und damit dem Bausoll entsprochen. Daher könne AN schon mangels Abweichung der tatsächlich vorgefundenen Verhältnisse zu den beschriebenen Verhältnissen keine zusätzliche Vergütung verlangen.

Fazit: Der "Knackpunkt" der Entscheidung ist die Frage, ob ein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A) und das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) in Verbindung mit § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) zur Unwirksamkeit des entsprechenden Vertragsinhaltes führt. Diese Frage ist zwar in der Literatur nicht unumstritten, nach der ständigen Rechtsprechung des BGH jedoch zu verneinen. Nach Auffassung des OLG, dass sich insoweit der Rechtsprechung des BGH anschließt, hatte sich AN nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages verpflichtet, alle Böden - gleich ob schwach oder extrem abrasiv und gleich ob mit mittlerem oder hohem Verklebungspotenzial - ohne zusätzliche Vergütung im Rahmen des Vortriebes zu bearbeiten. Mit anderen Worten: Gerade diese - relativ vagen - Angaben des Baugrundgutachtens wurden Inhalt des Vertrages und gehört mithin zum Bausoll. Man mag die Entscheidung bedauern, lädt sie doch den (öffentlichen) Auftraggeber dazu ein, das Bausoll nur vage zu beschreiben und damit dem Auftragnehmer das Baugrundrisiko aufzubürden. Gleichwohl weicht die Entscheidung des OLG Hamburg nicht von der Rechtsprechung des BGH ab. Deshalb wird dem Bauunternehmer nichts anderes übrig bleiben, als entweder durch Bieterfragen genauere Informationen zum Baugrund zu erhalten oder aber bei derartig unbestimmten Baugrundbeschreibungen mit entsprechenden Risikozuschlägen zu kalkulieren.