Arbeitseinstellung wegen unbezahlter Rechnung?

Arbeitseinstellung wegen unbezahlter Rechnung?

Arbeitseinstellung wegen unbezahlter Rechnung?

  • Vergaberecht & Baurecht
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Ein Bauunternehmer kann die Einrede des nichterfüllten Vertrages erheben und die Leistungserbringung verweigern, wenn der Bauherr offene Rechnungen nicht bezahlt, es sei denn, der Bauherr hat seinerseits ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln der Bauleistung in mindestens gleicher Höhe. Dies hat das OLG Braunschweig mit Urteil vom 12.09.2024 (Az.: 8 U 14/22) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte der BGH mit Beschluss vom 07.05.2025 (Az.: VII ZR 162/24) zurückgewiesen.

Der Fall: AG beauftragt AN mit der Ausführung von Dachabdichtungsarbeiten. AG nimmt die Arbeiten ab, AN stellt seine Schlussrechnung. AG bezahlt nicht. Daraufhin verweigert AN die Ausführung von im Abnahmeprotokoll vermerkten Restleistung und schreibt an AG wörtlich: "Bevor der von mir in Rechnung gestellte Betrag nicht auf meinem Konto ist, geht es am Objekt nicht weiter!" Sodann macht AN klagweise 150.000,00 EUR geltend, AG rechnet unter anderem mit Schadensersatzforderungen in Höhe von rund 18.500,00 EUR auf, die er auf die von AN nicht mehr erbrachten Restleistungen stützt.

Das Urteil: Das OLG Braunschweig sieht keine aufrechenbare Gegenforderung des AG. Zwar müsse AN grundsätzlich auch die Restleistung erbringen, jedoch stehe dem AG ein Schadensersatzanspruch nicht zu, weil kein einredefreier Anspruch auf Nacherfüllung bestanden habe. Mit seinem Schreiben habe AN die Einrede des nichterfüllten Vertrages geltend gemacht, wozu er auch berechtigt war, denn nach Abnahme war der (gesamte) Werklohn fällig geworden. Insoweit stehe AG zwar für die (noch) nicht ausgeführten Arbeiten ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 641 Abs. 3 BGB zu, jedoch nur in Höhe des Doppelten der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten. Nach dem eigenen Vortrag des AG hätten die Mängelbeseitigungskosten 18.500,00 EUR betragen, also hätte AG maximal 37.000,00 EUR einbehalten dürfen. Die weiteren, noch offenen Beträge hätte er zahlen müssen. Mit anderen Worten: AN durfte mit der Durchführung der Restarbeiten warten, bis AG den fälligen Teil der Schlussrechnung (also unter Abzug des Teils, für den AG ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln zustand) bezahlt hat.

Fazit: In der Praxis kommt es relativ häufig vor, dass Auftraggeber fällige Abschlags- oder (wie hier) auch Schlussrechnungen nicht begleichen unter Hinweis auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln. Dieses Zurückbehaltungsrecht besteht aber in der Regel nur in Höhe des Doppelten der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (§ 641 Abs. 3 BGB). Sind demnach die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (multipliziert mit zwei) geringer als der noch ausstehende Betrag, so besteht die Einrede des nichterfüllten Vertrages mit der Folge, dass der Bauunternehmer die Leistung einstellen darf bis der geschuldete Betrag (ggf. abzüglich des doppelten Mängeleinbehalts) gezahlt ist. Genau dies tun dann häufig Bauunternehmer auch recht unreflektiert. Aber Achtung: Dieser Weg ist höchst gefährlich! Zum einen wird der Auftraggeber für den Fall, dass der Auftragnehmer die weitere Leistung unter Hinweis auf die fällige Rechnung verweigert, fleißig nach Mängeln suchen. Zudem lässt sich über die Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten natürlich stets trefflich streiten. Stellt aber später ein Gericht fest, dass die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (x 2) höher waren als der offene Rechnungsbetrag, so wird die Rechnung nicht nur nicht fällig, sondern AG gerät auch nicht in Verzug mit der Zahlung, und zwar selbst dann nicht, wenn AN den geschuldeten Betrag unter Fristsetzung anmahnt. Für diesen Fall steht dann dem Unternehmer die Einrede des nichterfüllten Vertrages nicht zu mit der Folge, dass er die Leistung nicht einstellen durfte und AG in diesem Fall auf die (unberechtigte) Leistungsverweigerung des AN seinerseits eine Kündigung stützen darf. Wesentlich klüger ist es daher, von AG eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650 Abs. 1 BGB zu fordern, jedenfalls in den Fällen in denen dies zulässig ist (also nicht: bei Verbraucherbauverträgen und gegenüber der öffentlichen Hand). Läuft die Frist zur Gestellung dieser Sicherheit fruchtlos aus, so darf AN nicht nur die Leistung einstellen, sondern den Vertrag auch kündigen. Auf Mängel kommt es in diesem Zusammenhang dann nicht an.