Schlüssige Abnahme trotz Restmängeln?
Eine schlüssige Abnahme des Werkes z. B. durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme kommt in Betracht, wenn die Parteien keine förmliche Abnahme vereinbart haben und eine ausreichende Prüfmöglichkeit des Bestellers bestand. Bestehende Restmängel stehen dem nicht entgegen. Dies hat das OLG Dresden mit Beschluss vom 24.11.2022 (Az.: 14 U 538/22) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 06.12.2023 (Az.: VII ZR 7/23) zurückgewiesen.
Der Fall: AN erstellt für AG eine biologische Kläranlage. Die Fertigstellung erfolgt im Dezember 2015, eine ausdrückliche Abnahme findet aber nicht statt. Im Januar 2016 stellt AN seine Schlussrechnung, die AG bis auf geringe Einbehalte bezahlt. Im Oktober 2017 beantragt AG die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, weil es Schwierigkeiten mit dem Betrieb der Anlage gibt. Zwei Jahre später fordert AG den AN sodann zur Nacherfüllung auf, die nicht erfolgt. AG verklagt AN auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung.
Das Urteil: Das OLG Dresden weist die Klage ab. Die Anlage sei abgenommen. Eine schlüssige Abnahme sei anzunehmen, wenn das funktionstüchtige Werk bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen wird und eine gewisse Zeit abgelaufen ist, in der der AG das Werk prüfen konnte. Die Länge dieser Frist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im vorliegenden Fall sei die Abnahme jedenfalls Anfang 2016 anzunehmen, weil AG die Schlussrechnung weit überwiegend bezahlt habe. Auch habe AG nicht dargelegt, dass die Anlage zu diesem Zeitpunkt nicht im Wesentlichen funktionsfähig war. Geringfügige Restmängel seien insoweit ohne Belang. Damit trägt AG die Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Werkes zum Zeitpunkt der Abnahme, dieser Beweis gelingt ihm im vorliegenden Fall nicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist Grund für die Mängel nicht die mangelhafte Planung oder Errichtung, sondern die unzureichende Wartung, zu der AG verpflichtet war.
Fazit: Die Entscheidung entspricht dem in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen für eine schlüssige (= konkludente, stillschweigende) Abnahme durch Ingebrauchnahme des Werks. Diese kommt in Betracht, wenn keine förmliche Abnahme vereinbart ist, dass Werk bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen und eine angemessene Frist verstrichen ist, in der AG das Werk prüfen konnte. Meist wird dabei auf die (fast) vollständige Bezahlung der Schlussrechnung abgestellt. Aber: Die Abnahme nicht zu verlangen und nicht durchzuführen, ist für den AN stets risikoreich! Findet nämlich eine ausdrückliche Abnahme nicht statt, so wird der Zeitpunkt, an dem die Abnahme durch Ingebrauchnahme erfolgte, sehr viel später vom Gericht nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt. Der Zeitpunkt, an dem die Abnahme erfolgte, steht mithin erst nach Ende des Prozesses fest. Wenn AN aber den Zeitpunkt der Abnahme nicht kennt, so kann er auch die Gewährleistungsfrist nicht sicher berechnen. Von daher empfiehlt es sich stets, nach Beendigung der Arbeiten eine Abnahme zu verlangen und auch durchzuführen, und zwar auch und gerade dann, wenn keine förmliche Abnahme vereinbart ist.