Eignungsleihe muss ausdrücklich ausgeschlossen werden!

Eignungsleihe muss ausdrücklich ausgeschlossen werden!

Eignungsleihe muss ausdrücklich ausgeschlossen werden!

  • Vergaberecht & Baurecht
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Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 27.04.2024 – Verg 47/21 – u.a. folgendes entschieden:
1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Etwas anderes gilt, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat (hier: Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers).
2.  Der durchschnittliche Bieter wird von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche - ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche - ihren Ausschluss - hingewiesen werden muss.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Verhandlungsverfahren mit Teilnahme-wettbewerb ein medizinisches Versorgungsprogramm (gem. SGB V) europaweit ausgeschrieben. Im Fall des Einsatzes von Nachunternehmern (NU) waren die Erklärungen für diese insoweit zu erbringen, wie sie für die vom NU zu übernehmende Leistung anwendbar waren; die Verpflichtungserklärung des benannten NU gegenüber dem Bieter war spätestens vor Zuschlagerteilung dem AG vorzulegen. Bieter A und B reichten nach erfolgreichem Teilnahmeantrag fristgerecht Angebote ein. B sollte den Zuschlag erhalten, was Bieter A rügte: das Angebot des B müsse wegen fehlender Referenzen, die auch nicht im Wege der Eignungsleihe nachgewiesen werden könnten, ausgeschlossen werden. Nach Zurückweisung der Rüge stellte A Nachprüfungsantrag, der von der VK als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen wehrte sich A mit Beschwerde zum OLG.

Auch das OLG gibt dem AG Recht und weist die Beschwerde zurück. Es führt im folgenden zur Eignungsprüfung aus – siehe Tenor Nr. 1. Mit der positiven Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb werde für die zugelassenen Unternehmen ein Vertrauenstatbestand begründet, dass sie nicht damit rechnen müssten, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könne dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der AG ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteile. Dies sei ein in § 242 BGB (Treu und Glauben) wurzelnder Grundsatz, der allgemein gelte und nicht auf Bauvergabeverfahren beschränkt sei (siehe § 16b EU Abs. 3 VOB/A). Ein solcher Vertrauenstatbestand könne jedoch nur dann begründet werden, wenn der AG die Eignung der Bewerber abschließend bejaht habe, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulasse. Hieran fehle es folglich, wenn der Bieter - so wie hier - bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht habe.

Zu den im Rahmen der Eignungsprüfung vorzulegenden Unterlagen gehöre bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe eine ordnungsgemäße Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers. Ein Bieter, der sich im Rahmen der Eignungsprüfung auf die Kapazitäten anderer Unternehmen berufe, habe nachzuweisen, dass er tatsächlich Zugriff auf deren Mittel habe, weshalb in zweistufigen Vergabeverfahren das eignungsvermittelnde Unternehmen bereits innerhalb des Teilnahmewettbewerbs benannt und auch dessen Verfügbarkeit nachgewiesen werden müsse. Vorliegend habe B die Verpflichtungserklärung seines Eignungsleihgebers erst mit seinem Angebot vorgelegt, was hier aber vergabekonform sei. Soweit nach § 42 Abs. 2 VgV bei Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nur solche Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufzufordern seien, die ihre Eignung - vollständig - nachgewiesen hätten, könne hiervon nach § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (nach 140a SGB V) abgewichen werden, was vorliegend geschehen sei.

Der AG habe das Angebot des B auch zu Recht nicht mangels Eignung des B von der Wertung ausgeschlossen. Denn B durfte sich zulässigerweise der Eignungsleihe bedienen. Den Vergabeunterlagen sei weder ein Ausschluss der nach § 47 Abs. 1 VgV grundsätzlich zulässigen Eignungsleihe noch ein Selbstausführungsgebot im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV zu entnehmen.

Vergabeunterlagen müssten klar und verständlich sein. Nach ständiger Rechtsprechung müsse aus den Vergabeunterlagen für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt werde. Für die Leistungsbeschreibung ergebe sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 32 Abs. 1 VgV bzw. § 7 EU Abs. 1 VOB/A, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben sei, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich sei und die Angebote miteinander verglichen werden könnten. Bei Anwendung dieser Grundsätze habe hier den Vergabeunterlagen ein Ausschluss der Eignungsleihe nicht entnommen werden können.

Die Zulässigkeit der Eignungsleihe und ihr Ausschluss stünden in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, um das der durchschnittliche Bieter auch wisse. Grundsätzlich könne das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers, in Bezug auf die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden. Vor diesem Hintergrund könne der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben werde. Schwiegen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so sei diese zulässig, da nicht auf das Übliche - ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche - ihren Ausschluss - hingewiesen werden müsse. Es habe auch nicht an einem Hinweis auf den nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VgV erforderlichen Nachweis gefehlt. Nach der Auftragsbekanntmachung sei eine Verpflichtungserklärung des benannten NU gegenüber dem Bieter spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen gewesen. Dieses aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis, vor dessen Hintergrund nicht die Zulässigkeit, sondern der Ausschluss der Eignungsleihe einer unmissverständlichen Erklärung bedürfe, resultierende Bieterverständnis korrespondiere im Übrigen mit der uneingeschränkten Zulässigkeit eines NU-Einsatzes, worauf die Vergabekammer auch zu Recht hingewiesen habe.

Anmerkung:

Oberhalb der Schwellenwerte (am Bau: 5,538 Mio. EUR; bei Dienstleistungen: 221 TEUR) ist  die Eignungsleihe immer zulässig – es sei denn, der AG hat dies ausnahmsweise anders in der Bekanntmachung vorgesehen (siehe § 6d EU Abs. 4 VOB/A; § 47 Abs. 5 VgV), was er dann aber besonders zu dokumentieren hat. Unterhalb der genannten Schwellenwerte kann der AG jedoch ohne besondere Begründung eine Selbstausführungspflicht vorschreiben (siehe z.B. § 6 Abs. 2 u. 3 VOB/A, § 8a Abs. 1 VOB/A i. V. m. § 4 Abs. 8 VOB/B).