Angebotswertung nach dem „Alles - oder Nichts – Prinzip“ zulässig?

Angebotswertung nach dem „Alles - oder Nichts – Prinzip“ zulässig?

Angebotswertung nach dem „Alles - oder Nichts – Prinzip“ zulässig?

  • Leitsätze & Urteile

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 07.12.2023 – VK 2-82/23 – u.a. folgendes entschieden:

Eine Wertungsmethode, nach der das Angebot mit der höchsten Punktzahl fünf Punkte und das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl null Punkte erhält, ist vergaberechtswidrig, weil generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis jedenfalls dann nicht korrekt ermittelt werden kann, wenn nur zwei Angebote vorliegen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Entwurfsplanung für 3 Überführungsbauwerke im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Nach Auswertung der Teilnahmeanträge forderte der AG drei Unternehmen zur Abgabe von Erstangeboten auf. Nach dem Formblatt „Erstangebote/Verhandlung“ sollten Zuschlagskriterien der Preis (Kriterium 1) zu 40% sowie „projektspezifische Lösungsansätze“ (Kriterium 2) zu 60 % sein. Bei der Wertung des Kriteriums 1 sollte das günstigste Angebot 5 Punkte, ein fiktives Angebot mit dem 2,0-fachen des niedrigsten Preises 0 Punkte erhalten. Bei den dazwischen liegenden Angeboten sollte interpoliert werden. Bei Wertung des Kriteriums 2 sollten 5 Unterkriterien mit einer Spanne von 0 – 5 Punkten bewertet werden, wobei nur volle Punktzahlen vergeben werden. Die Wertung sollte unabhängig voneinander durch drei Ingenieure vorgenommen und aus der Gesamtsumme der drei Einzelwertungen  das arithmetische Mittel gebildet werden. Der Bewerber mit der höchsten Punktzahl sollte 5 Punkte, der Bewerber mit der niedrigsten Punktzahl 0 Punkte erhalten. Dazwischen sollte linear interpoliert und auf volle Punkte aufgerundet werden.

Die Bieter A und B gaben fristgerecht Angebote ab. Nach der Angebotswertung war das Angebot des A zwar das preisgünstigste, erhielt bei der Wertung des Kriteriums 2 jedoch nur 0 Punkte. Der AG begründete dies damit, dass das Angebot des A schlechter bewertet worden sei als das des B; da insgesamt nur zwei Angebote abgegeben worden seien, sei auf eine Interpolation der Wertungspunkte verzichtet worden. Nach erfolgloser Rüge der Angebotswertung stellte A Nachprüfungsantrag.

Die VK beurteilt zwar die bekanntgemachte Wertungsmatrix in Bezug auf das Kriterium 2 als mit Vergaberecht nicht vereinbar. Weil dem Angebot des A jedoch auch bei Durchführung einer Interpolation der Zuschlag nicht zu erteilen wäre, erwachse ihm daraus kein Schaden, weshalb sein Nachprüfungsantrag im Ergebnis unbegründet sei.

Der AG verwende hier für die Wertung des Kriteriums 2 eine Interpolationsmethode, bei der in einem ersten Schritt aus der Gesamtsumme der Einzelwertungen der drei Juroren das arithmetische Mittel gebildet und, auf der zweiten Stufe, eine (End-) Punktzahl vergeben werde. Das Angebot mit der höchsten Punktzahl erhalte 5 Punkte, das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl 0 Punkte. Bei dieser Wertungsmethode sei generell nicht auszuschließen, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden könne. In Fällen, in denen - wie hier - nur 2 Angebote vorlägen, sei diese Vorgehensweise problematisch, weil selbst geringe Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Spreizungen bei der Bewertung der Angebote führen könnten. Wie bereits das OLG Düsseldorf (B. v. 22. 01. 2014 – Verg 26/13) entschieden habe, werde durch diese Methode der relative Abstand der Angebote zueinander nicht korrekt erfasst. Gelangten nur zwei Angebote in die Wertung, habe das Wertungssystem zur Folge, dass der Unterlegene der beiden Bieter beim Kriterium 2 keine Punkte erhalte und diesen Nachteil auch durch einen günstigeren Preis praktisch nicht mehr ausgleichen könne. Dass die erkennende Vergabekammer an diesen vom OLG Düsseldorf aufgestellten Grundsätzen grundsätzlich festhalte, ergebe sich auch aus einer aktuellen Entscheidung der VK Bund vom 25. 09. 2023 (VK 2-72/23). Darin sei ebenso festgestellt worden, dass bei einer Interpolationsmethode, bei der das Angebot mit dem höchsten Preis 0 Punkte erhalte, generell nicht auszuschließen sei, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden könne. Diese Methode sei deshalb problematisch, weil auch nur sehr geringe Preis- bzw. Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Unterschieden bei der Bewertung der Angebote führen könnten. Denn der relative Abstand der Angebote untereinander werde mit dieser Methode nicht erfasst.

Sei die Wertungsmatrix in Bezug auf das Kriterium 2 somit vergaberechtswidrig, sei dem A hieraus jedoch kein Schaden erwachsen. Denn die Angebotswertung an sich sei hier nicht zu beanstanden, das Angebot des A hätte selbst im Falle einer Interpolation keine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt. So gehe aus der dokumentierten Angebotswertung hervor, dass die Wertung des Unterkriteriums 1 auf mehreren weiteren Aspekten beruhe. Dabei habe der AG auch einen schlüssigen Quervergleich der beiden Angebote vorgenommen. Die Begründungen des AG für eine schlechtere Bewertung des Angebots des A ließen insgesamt Beurteilungsfehler nicht erkennen. In diesem Zusammenhang sei auch festzustellen, dass die Erwägungen des AG maßgeblich den Quervergleich mit dem insoweit besser bewerteten Angebot des B durchaus erschlössen.



Anmerkung:

Wie die Entscheidung zeigt, ist bei der Wertung von sog. nichtmonetären Kriterien wie z.B. dem „technischen Wert“ oder – wie hier – den „projektspezifischen Lösungsansätzen“ besondere Vorsicht walten zu lassen. So ist dabei auch nicht unbedingt zu empfehlen, für das Angebot mit der nach Wertung niedrigsten Punktezahl lediglich 0 Punkte vorzusehen, ohne - wie hier – zwischen den Angeboten eine Interpolation vorzunehmen. Hätte im vorliegenden Falle diese Interpolation beim Angebot des Bieters A ein anderes Ergebnis erbracht, hätte hier A durchaus gute Chancen gehabt, sich mit seinem Nachprüfungsantrag gegenüber dem AG durchzusetzen.