Auftraggebereigenschaft bei Referenzen

Auftraggebereigenschaft bei Referenzen

Auftraggebereigenschaft bei Referenzen

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 9 Min

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 02.02.2024 – VK 2-98/23 – u.a. folgendes entschieden:

Muss eine der drei geforderten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber betreffen und benennt der Bieter keine Referenz, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei keine Referenz eines öffentlichen Auftraggebers darstellt, muss die Vergabestelle die Auftraggebereigenschaft der als Referenz benannten Stelle prüfen und dies dokumentieren.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte IT-Beratungs- und Unterstützungsleistungen im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Im Rahmen der Eignungsprüfung war zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Liste mit mindestens drei geeigneten Referenzen mit Bezug zur ausgeschriebenen Leistung vorzulegen. Dabei waren Angaben zu machen u.a. zum Wert des Auftrags (mind. 1 Mio. Euro) sowie zum Zeitraum der Leistungserbringung (nicht älter als drei Jahre seit der letzten Leistungserbringung). Darüber hinaus musste es sich bei mindestens einer Referenz um einen Auftrag für einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB handeln. Bieter A gab fristgerecht ein Angebot ab. Nach Wertung der Angebote sollte Bieter B den Zuschlag erhalten. Dagegen wandte sich Bieter A mit seiner Rüge, wonach Bieter B die Eignungsanforderungen im Hinblick auf die Referenzen nicht erfülle. Nach Nichtabhilfe seiner Rüge stellte A Nachprüfungsantrag.

Die VK Bund gibt Bieter A Recht. Die Prüfung der Bietereignung (und Bewertung der Angebote) sei vergaberechtswidrig. Die Dokumentation des Vergabeverfahrens lasse nicht erkennen, inwieweit der AG die Prüfung der bekanntgemachten Eignungskriterien ordnungsgemäß durchgeführt habe. Hinsichtlich der Überprüfung der Referenzen sei vom AG lediglich festgehalten: "Mindestens 3 Referenzen, die die Mindestanforderungen erfüllen:  Ja." Weitere, eingehendere Erläuterungen hierzu fänden sich in der Dokumentation nicht. Eine eingehendere Prüfung und Bewertung wäre aber geboten gewesen, wie etwa die Referenz 1 des B zeige.

Hier sollten als geeignete Referenzen nur solche in Betracht kommen, die einen Bezug zum streitgegenständlichen Auftrag aufwiesen. Aus den Ausführungen in der vom AG mit Schreiben vom 14. 12.2023 zu den Akten gereichten Referenz 1 lasse sich allerdings der geforderte Bezug zur gegenständlich ausgeschriebenen Leistung nicht unmittelbar erkennen. In den schriftlichen Ausführungen zu dieser Referenz fände dies keine explizite Erwähnung. Eine eingehendere Aufklärung durch den AG hätte schon deshalb nahegelegen, weil dieser Bezug bei den anderen von B vorgelegten Referenzen deutlich hergestellt worden sei.

Wie ebenfalls dargelegt, habe eine der insgesamt drei verlangten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB betreffen müssen. Ob ein Auftraggeber die Eigenschaft eines Auftraggebers im Sinne des § 99 GWB erfülle, setze eine juristische Bewertung voraus. Eine solche Bewertung habe der AG nicht vorgenommen, was hier aber erforderlich gewesen wäre, denn B habe keine Referenz benannt, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei eine Referenz von einem öffentlichen Auftraggeber darstelle. Zwar sei es durchaus denkbar, dass zumindest eine der drei Referenzen - was ausreichend wäre - von einem öffentlichen Auftraggeber stamme, denn nach dem funktionalen Auftraggeberbegriff des § 99 Nr. 2 GWB könnte auch juristischen Personen die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber zukommen. Soweit für die Vergabekammer anhand öffentlich zugänglicher Quellen im Internet erkennbar, gebe es aber jedenfalls für eine der als Referenz benannten Stelle keine explizite Rechtsgrundlage, auf Grund derer sich das Vorliegen der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB zweifelsfrei ableiten ließe. Die als Referenz benannte Stelle unterliege keiner Fachaufsicht, und sei lediglich aus organisatorischen Gründen bei einem Ministerium angesiedelt. Ob die Stelle gleichwohl die Voraussetzungen des § 99 GWB erfülle, hätte der AG prüfen und dokumentieren müssen. Gleiches gelte für eine weitere Referenz, die nicht unmittelbar erkennbar einem öffentlichen Auftraggeber zuzuordnen sei. Diese Prüfungen habe der AG jedoch unterlassen.

Eine Ergänzung der Dokumentation im Nachprüfungsverfahren komme hier nicht in Betracht. Zwar sei es zulässig, dass eine vorhandene Dokumentation des Vergabeverfahrens durch Schriftsätze im Nachprüfungsverfahren ergänzt werden könnten. Dies setze aber voraus, dass die wesentlichen Überlegungen des Auftraggebers sich bereits in der Dokumentation fänden (siehe dazu OLG Düsseldorf, B. v. 10. 02. 2021 – Verg 23/20). Sinn der Möglichkeit, eine vorhandene Dokumentation durch schriftsätzlichen Vortrag zu ergänzen, sei jedoch nicht, ganz wesentliche Teile der Dokumentation bzw. - weitergehend - sogar der materiellen Prüfung in den schriftsätzlichen Vortrag zu verlagern. Denn wenn die Vergabedokumentation keine Aussage zu erforderlichen Prüfungsschritten enthalte, sei davon auszugehen, dass diese im Sinne einer "negativen Beweiskraft" des Vergabevermerks auch tatsächlich nicht durchgeführt worden sei.


Anmerkung:

Aus der Entscheidung lassen sich folgende allgemeingültige Schlüsse ziehen:

    • Speziell bei der Überprüfung von geforderten Referenzen sollte der AG im Rahmen der Eignungsprüfung besonders sorgfältig vorgehen. Dabei empfiehlt es sich, die Prüfung der Übereinstimmung zwischen den geforderten Kriterien und den benannten Referenzen beispielsweise mittels eines detaillierten Formblatts vorzunehmen, schon um festzustellen, ob ein Bieter evtl. geforderte Angaben übersehen oder vergessen hat.

    • Auch bei der Eignungsprüfung gilt: Ein Vergabeverfahren ist immer nur so gut wie seine Dokumentation. Wie die Vergabekammer hier noch einmal deutlich macht:
was nicht vom Auftraggeber im Vergabevermerk dokumentiert ist, hat letztlich auch nicht stattgefunden – zum Nachteil des Auftraggebers.