Zur Eignungsprüfung von präqualifizierten Bietern

Zur Eignungsprüfung von präqualifizierten Bietern

Zur Eignungsprüfung von präqualifizierten Bietern

  • Leitsätze & Urteile

Die Vergabekammer (VK) Rheinland hat mit Beschluss vom 29.11.2023 – VK 30/23 – u.a. folgendes entschieden:

1.  Der Auftraggeber darf von präqualifizierten Unternehmen im Umfang ihrer Präqualifizierung keine Einzelnachweise fordern, sondern muss diese als Nachweis der Eignung akzeptieren und sich inhaltlich mit den Präqualifikationsunterlagen auseinandersetzen. Allerdings ist ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen.
2. Im Rahmen seiner Eignungsentscheidung darf der öffentliche Auftraggeber die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben nicht ohne Begründung in Zweifel ziehen.
3. Der Antragsteller eines Präqualifizierungsverfahrens muss sich in einer Eigenerklärung verpflichten, dem Auftraggeber jeglichen Nachunternehmereinsatz mitzuteilen und nur solche Nachunternehmer einzusetzen, die ihrerseits präqualifiziert sind oder per Einzelnachweis belegen konnten, dass alle Präqualifizierungskriterien erfüllt sind.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Zum Eignungsnachweis forderte er u.a. eine Eigenerklärung zur Mitarbeiteranzahl, Referenznachweise gemäß Formblatt 124 des VHB-Bund oder den Nachweis per Präqualifikation. Bieter A gab ein Angebot ab, bezüglich dessen dem AG Zweifel an der Eignung des A aufkamen. Dieser war zwar präqualifiziert, verfügte aber über lediglich 12 gewerbliche Mitarbeiter, d.h. ein großer Teil der Arbeiten sollte durch Nachunternehmen erbracht werden. Der AG vermutete, dass sich A der Eignungsleihe bedienen wollte. Die diesbezügliche Aufklärung beseitigte die Zweifel des AG nicht, so dass er das Angebot des A ausschloss. Nach erfolgloser Rüge beantragte A Nachprüfung.

Die VK gibt Bieter A Recht. Der AG habe das Angebot des A zu Unrecht gem. § 16a EU Abs. 5, § 16 EU Nr. 4 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung müsse der AG sämtliche Eignungskriterien sowie deren Nachweise im Vorfeld der Ausschreibung aufstellen und in der Auftragsbekanntmachung anführen. Der öffentliche Auftraggeber dürfe die Eignung der Bieter ausschließlich anhand dieser vorab festgelegten und veröffentlichten Eignungskriterien prüfen. Er könne auch Mindestanforderungen in Bezug auf die Eignung vorgeben, müsse sie dann aus Gründen der Transparenz aber ebenfalls bekannt machen. Hier habe der AG zwar eine Eigenerklärung zur Mitarbeiteranzahl sowie zu vergleichbaren Leistungen gefordert. Weitere Eignungskriterien, insbesondere Mindestanforderungen dazu, habe der AG aber nicht gestellt. So habe er keine Mindestmitarbeiterzahlen verlangt oder Leistungsbereiche benannt, die nicht fremdvergeben  hätten werden dürfen.

Der AG habe hier selbst in der Bekanntmachung ausgeführt, dass die Nachweisführung zur Eignung über die Eintragung im PQ-Verzeichnis erfolgen könne - siehe § 122 Abs. 3 GWB, § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Der AG dürfe von präqualifizierten Unternehmen im Umfang ihrer Präqualifizierung keine Einzelnachweise fordern, sondern müsse diese als Nachweis der Eignung akzeptieren und sich inhaltlich mit den Präqualifikationsunterlagen auseinandersetzen. Allerdings sei ein Bieter nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmten.
Bieter A sei hier präqualifiziert, was zum Eignungsnachweis ausreiche. Hätte der AG weitere Aspekte, die nicht von der Präqualifikation erfasst seien, als eignungsrelevant ansehen wollen, hätte er dies in der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen transparent darstellen müssen, was hier nicht geschehen sei. Mit den in der Vergabeakte und den Schriftsätzen niedergelegten sowie in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen könne der AG dem A die Eignung nicht absprechen. Danach bedurfte A auch nicht der Kapazitäten anderer Unternehmen zum Nachweis seiner Eignung, d.h. er habe auch keine Angaben zu einer Eignungsleihe machen müssen. Daher komme ein Angebotsausschluss wegen fehlender Angaben hierzu nicht in Betracht.

Diesem Ergebnis stehe auch nicht der dem AG bei der Eignungsprüfung grundsätzlich zustehende und von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum entgegen. Denn im Rahmen seiner Eignungsentscheidung dürfe der öffentliche AG die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Angaben nicht ohne Begründung in Zweifel ziehen. Denn Präqualifizierungssysteme ersetzten (ganz oder teilweise) die Eignungsprüfung im Einzelfall, auch die Prognoseentscheidung über das Vorliegen der Eignung - oder jedenfalls bestimmter Eignungsmerkmale - werde grundsätzlich von der Zertifizierungsstelle vorgenommen. Zwar beschränke sich die Prüfung durch die Präqualifizierungsstellen auf die in der VOB/A bzw. VOB/A-EU geforderten auftragsunabhängigen Eignungsnachweise. Darüber hinaus müsse sich der Antragsteller eines Präqualifizierungsverfahrens in einer Eigenerklärung aber auch verpflichten, dem Auftraggeber jeglichen Nachunternehmereinsatz mitzuteilen und nur solche Nachunternehmer einzusetzen, die ihrerseits präqualifiziert seien oder per Einzelnachweis belegen könnten, dass alle Präqualifizierungskriterien erfüllt seien. Damit dürften auch die vom AG vorgetragenen Befürchtungen hinsichtlich des von A beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes unbegründet sein.

Zwar sei der öffentliche Auftraggeber nicht gehindert, negative Erkenntnisse anderer Auftraggeber oder eigene negative Erkenntnisse bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigen. Hier sei jedoch für solche negativen Erkenntnisse schon nichts ersichtlich.

Für die Unternehmen, die im Rahmen der Unterauftragsvergabe eingesetzt werden sollten, müsse hier A auch keine Verpflichtungserklärungen i.S.v. § 6d EU Abs. 1 VOB/A vorlegen. Denn die entsprechende Obliegenheit in § 6d EU VOB/A betreffe grundsätzlich nur Bieter, die nicht in der Lage seien, ihre Eignung selbst nachzuweisen und die ohne Berufung auf Dritte folglich als ungeeignet vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssten. Dies sei bei A aber nicht der Fall. Vorliegend habe A sogar entsprechende Erklärungen nach Vordruck VHB 236 für alle drei Unterauftragnehmer vorgelegt; damit habe A überobligatorisch die Bereitstellung der entsprechenden Kapazitäten seiner Unterauftragnehmer nachgewiesen.

Anmerkung:
Bei der Beteiligung von präqualifizierten Bietern ist im Wesentlichen folgendes stets zu beachten:
    • Nachweise im PQ-System sind vom AG grundsätzlich zu akzeptieren – es sei denn, es liegen klare Anhaltspunkte vor, dass diese Nachweise nicht korrekt sind.
    • Wenn die im PQ-System hinterlegten Referenzen für das konkrete Verfahren nicht genügen, ist ein Nachfordern „geeigneter Referenzen“ durch den AG unzulässig.
    • Auch präqualifizierte Bieter sind gefordert, für die Eignung der von ihnen vorgesehenen Nachunternehmer gegenüber dem AG geradezustehen.