Nullpositionen: Mengenminderung oder Teilkündigung?

Nullpositionen: Mengenminderung oder Teilkündigung?

Nullpositionen: Mengenminderung oder Teilkündigung?

  • Vergaberecht & Baurecht
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Ordnet der Auftraggeber nachträglich den Wegfall einzelner Leistungen eines Einheitspreisvertrages an und kommen diese Leistungen dann letztlich einvernehmlich nicht zur Ausführung, so liegt keine Mengenminderung i. S. v. § 2 Abs. 3 VOB/B vor. Die Abrechnung erfolgt dann analog nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB (analog), sofern sich die Parteien nicht anderweitig geeinigt haben. Das hat das OLG Hamm mit Urteil vom 05.07.2024 (Az.: 12 U 95/22) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN unter Einbeziehung der VOB/B im Rahmen eines Einheitspreisvertrages mit dem Einbau von Metallfenstern. Später teilt AG dem AN mit, dass zwei Leistungspositionen nicht zur Ausführung kommen, weil anstelle der ursprünglich geplanten Fenster Lamellen-Lüftungsgitter eingebaut werden sollen. AN erklärt dem AG, er habe das Material bereits gekauft, die Kosten für das Material betrügen 55 % der angegebenen Positionspreise. Eine Rückgabe der gekauften Fenster sei nicht möglich. Nachdem AG nicht zahlt, macht AN 55 % bei den LV-Positionen, insgesamt 1.844,00 EUR, gerichtlich geltend. Das Landgericht weist die Klage insoweit ab. AN habe die Voraussetzung einer Preisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B nicht dargelegt. AN legt Berufung ein.

Das Urteil: Das OLG meint, ein Anspruch aus § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B bestehe nicht. Nullpositionen, bei denen der Auftraggeber auf eine bestimmte Position verzichtet, seien einer Äquivalenzstörung, die durch eine ungewollte Mengenminderung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B entstehe, nicht gleichzusetzen. Hier gehe es nämlich nicht um eine Fehleinschätzung der für die Bauleistung erforderlichen Menge, sondern vielmehr entfalle die Position auf Veranlassung des AG ganz. Daher kommt für solche Nullpositionen eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB (freie Kündigung) in Betracht, wobei es das OLG Hamm offenlässt, ob diese Vorschriften direkt oder analog anzuwenden sind. In jedem Falle habe AN einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Kalkulationsgrundlage war für den AN nämlich der Gesamtauftrag, daher kommt es auch nicht darauf an, ob eine Teilkündigung hier überhaupt zulässig war. AN erhält daher die Materialkosten vergütet.

Fazit: Eine sogenannte Nullposition, also eine Position, die trotz Beauftragung überhaupt nicht zur Ausführung gelangt, ist regelmäßig keine Mindermenge. Eine Mindermenge setzt nämlich eine Fehleinschätzung über die zur Vertragserfüllung erforderlichen Menge voraus. Eine Nullposition hingegen beruht regelmäßig darauf, dass AG sich nachträglich entschließt, diese Position - sei es aus technischen oder aus Kostengründen - nicht ausführen zu lassen. Diese Konstellation kommt einer Teilkündigung sehr nahe. Teilkündigungen sind allerdings überhaupt nur für in sich abgeschlossene Leistungsteile möglich.  Wendet man hingegen die Regelungen über eine freie Kündigung (§ 648 BGB bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B) analog auf derartige Konstellationen an, so kommt es nicht darauf an, ob eine Teilkündigung zulässig ist. Gerade der vorliegende Fall zeigt anschaulich, das AN mit den Regelungen über eine Mengenminderung nicht gedient ist. Vielmehr muss er so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn die Position zur Ausführung gelangt wäre. Gerade bei Materialien, die AN bereits im Vertrauen auf den Vertrag beschafft hat und die er nicht zurückgeben kann, liegt die auf der Hand, denn sonst bliebe AN nicht nur auf dem Material sitzen, er bekäme es auch nicht vergütet.