
Digitalisierung: Warum die neue Bundesregierung handeln muss
Mit der Bundestagswahl 2025 werden die Weichen für Deutschlands Zukunft gestellt. Ein zentraler, aber oft vernachlässigter Bereich ist die Digitalisierung – insbesondere in der Bauindustrie. Yves Padrines, CEO der Münchner Nemetschek Group, mahnt an, dass die Digitalisierung in vielen Wahlprogrammen zwar erwähnt wird, aber oft ohne konkrete Umsetzung bleibt. Dabei bietet sie enorme Chancen für Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft.
Effizientere Bauprojekte durch digitale Lösungen
Digitale Prozesse durchdringen den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – von der Planung über den Bau bis hin zur Sanierung und zum Rückbau. Besonders im Wohnungsbau könnten digitale Werkzeuge helfen, Projekte schneller, kosteneffizienter und nachhaltiger zu realisieren. Derzeit werden 90 Prozent aller Bauprojekte zu spät fertig und übersteigen das geplante Budget – von Großprojekten wie Stuttgart 21 bis hin zu kleineren Vorhaben wie Kindergärten oder Wohnhäusern.
Durch den Einsatz digitaler Planungstools könnten laut Schätzungen bis zu 20 Prozent der Zeit und Kosten eingespart werden. Das wäre insbesondere für den Wohnungsbau ein wichtiger Schritt, da Deutschland aktuell rund 900.000 Sozialwohnungen fehlen. Auch öffentliche Bauherren mit begrenzten Budgets würden profitieren, da effizientere Abläufe finanzielle Spielräume schaffen.
Fachkräftemangel mit digitalen Tools begegnen
Ein weiteres großes Problem der Bauwirtschaft ist der Fachkräftemangel. Weltweit fehlen rund sieben Millionen Fachkräfte im Baugewerbe. Digitale Lösungen können helfen, diese Lücke zu schließen, indem sie Planungsprozesse effizienter gestalten und vorhandene Ressourcen besser nutzen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung gefährdet die Digitalisierung keine Arbeitsplätze – sie sichert sie, indem Unternehmen durch optimierte Abläufe mehr Projekte in kürzerer Zeit umsetzen können.
Beitrag zur Klimaneutralität im Gebäudesektor
Fast 40 Prozent der globalen CO₂-Emissionen stammen aus dem Bau und Betrieb von Gebäuden. Ein großer Teil davon könnte bereits in der Planungsphase reduziert werden. Materialverschwendung, ineffiziente Dämmung oder fehlerhafte Heizkonzepte führen zu vermeidbaren Emissionen. Digitale Tools helfen, solche Fehler zu minimieren und energetische Standards von Anfang an einzuplanen. Dadurch könnten nicht nur die Klimaziele schneller erreicht, sondern auch Baukosten durch geringeren Materialverbrauch gesenkt werden.
Handlungsbedarf für die neue Bundesregierung
Um die Digitalisierung in Deutschland voranzubringen, braucht es klare politische Vorgaben und gezielte Fördermaßnahmen. Ein erster Schritt wurde mit der BIM-Pflicht (Building Information Modeling) bei öffentlichen Ausschreibungen gemacht. Doch noch immer setzen viele Unternehmen nicht konsequent auf digitale Lösungen.
Deshalb sollten Förderprogramme auf den Einsatz digitaler Technologien im Baugewerbe ausgeweitet werden. Auch der digitale Bauantrag, der bereits in einigen Regionen möglich ist, sollte verpflichtend eingeführt werden, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Zudem muss Digitalisierung in der Ausbildung und im Studium stärker verankert werden, um zukünftige Fachkräfte frühzeitig mit den Möglichkeiten digitaler Planung und Bauausführung vertraut zu machen.
Die neue Bundesregierung hat die Chance, durch mutige Entscheidungen die Digitalisierung in der Bauwirtschaft entscheidend voranzutreiben. Jetzt gilt es, nicht nur darüber zu reden, sondern konkrete Maßnahmen umzusetzen.