Mindestanforderungen an die Eignung sind unveränderlich!

Mindestanforderungen an die Eignung sind unveränderlich!

Mindestanforderungen an die Eignung sind unveränderlich!

  • Vergaberecht & Baurecht
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Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit Beschluss vom 07.03.2024 – 1/SVK/038-23 – u.a. folgendes entschieden:
1. Der Auftraggeber darf von den für die Eignung bzw. deren Nachweise bekannt gemachten Vorgaben im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens weder abweichen noch darf er diese ändern. Bezüglich publizierter Mindestanforderungen der Eignung besteht eine Selbstbindung des Auftraggebers. Er darf bei der späteren Eignungsprüfung nicht zu Gunsten eines Bieters auf die Erfüllung der Mindestbedingungen verzichten. Das widerspräche dem Transparenzgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot.
2. Die Bestimmung der Eignungskriterien steht grundsätzlich im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Sie müssen jedoch mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen (§ 122 Abs. 4 Satz 1 GWB).


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im offenen Verfahren Bauleistungen europaweit ausgeschrieben; in der Bekanntmachung hatte er dabei zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit folgende Mindestanforderung aufgestellt: „Es müssen entsprechende Umsätze in mind. 3 Geschäftsjahren erzielt worden sein; in jedem dieser Geschäftsjahre muss ein Mindestumsatz i. H. v. 2,5 Mio. EUR erzielt worden sein“. Nachdem Bieter A mit seinem Angebot das Formblatt zur Eignung vorgelegt hatte, stellte der AG fest, dass bei zwei von drei Jahresumsätzen die Mindestanforderung nicht erfüllt war. Im darauf versandten Schreiben zur Nachforderung verlangte der AG: „Auflistung des Umsatzes der letzten 3 Geschäftsjahre, davon 1 Jahr mit mind. 2,5 Mio. EUR“. Im folgenden schloss der AG das Angebot des A aus, da nur ein Geschäftsjahr den geforderten Mindestumsatz aufwies. Dagegen wehrte sich A mit Nachprüfungsantrag.

Die VK gibt dem AG Recht - soweit der Nachprüfungsantrag zulässig sei, sei er jedenfalls unbegründet. Im Rahmen der Zulässigkeit verweist die VK darauf, dass A die Aufstellung der Mindestanforderung zum Umsatz nicht rechtzeitig gerügt habe. Denn nach § 160 Abs. 3 Nr.2 GWB sei für die Bieter schon aus der Bekanntmachung erkennbar gewesen, wenn darin ein Vergabeverstoß gelegen hätte.
Darüber hinaus sei der Antrag aber auch unbegründet, da A zu Recht wegen mangelnder wirtschaftlicher und finanzieller Leistungsfähigkeit ausgeschlossen worden sei.

Gemäß § 122 Abs. 1 GWB seien öffentliche Aufträge an geeignete Unternehmer zu vergeben. Welche Anforderungen an die Eignung gestellt würden, bestimme der AG durch entsprechende Vorgaben in der Bekanntmachung. Der AG dürfe von diesen Anforderungen für die Eignung im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens weder abweichen noch dürfe er diese ändern.

Der AG verfüge bei der Beurteilung der Eignung über einen Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsbehörden und Gerichte unterliege. Die VK entscheide dementsprechend nicht über die Eignung eines Unternehmens. Sie prüfe lediglich nach, ob die Entscheidung, einem Unternehmen die Eignung zu- oder abzusprechen, den eigenen Vorgaben des Auftraggebers gerecht werde, eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Grundlage habe und vertretbar bzw. plausibel sei. Dies sei hier zu bejahen.

Welche Eignungskriterien der Auftraggeber konkret bestimme, könne er vorab unter Berücksichtigung der zu vergebenden Leistungen definieren bzw. konkretisieren. Er könne insoweit auch Mindestanforderungen festlegen. Bieter, die diese Mindestanforderungen nicht erfüllten, seien zwingend wegen fehlender Eignung auszuschließen. Der Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Eignungsprüfung sei dann insoweit eingeschränkt. Stelle er fest, dass die Mindestanforderung nicht erfüllt werde, sei der Ausschluss zwingend. Dies folge aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz.

Vorliegend sei der Ausschluss des A wegen Nichterfüllung der aufgestellten Mindestanforderung zur Eignung - Mindestumsatz in Höhe 2.500.000 EUR für jeweils alle drei abgeschlossenen Geschäftsjahre - rechtmäßig. Die Festlegung dieses Kriteriums sei eindeutig in der Bekanntmachung erfolgt. A habe diese Mindestanforderung unstreitig nicht erfüllt, weswegen der Angebotsausschluss zwingend zu erfolgen habe.

Der Umstand, dass der AG hier in seinem Nachforderungsschreiben an A andere Mindestkriterien (3 Geschäftsjahre, davon 1 Jahr mit mind. 2,5 Mio. EUR) benannt hätte, führe nicht zu einer nachträglichen Änderung der Eignungskriterien. Denn die Eignungskriterien und ggf. die Mindestanforderungen seien in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend zu benennen. Sinn und Zweck der Regelung in § 122 Abs. 4 S. 2 bzw. § 48 Abs. 1 VgV sei, dass potenzielle Bieter bereits unmittelbar aus der Auftragsbekanntmachung die in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gestellten Anforderungen ersehen könnten, um anhand dieser Angaben zu entscheiden, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen könnten und wollten. Nur wenn diese Angaben frei zugänglich und transparent seien, könnten sie diesem Zweck der Auftragsbekanntmachung gerecht werden. Der Auftraggeber dürfe deshalb von den für die Eignung bzw. deren Nachweise bekannt gemachten Vorgaben im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens weder abweichen, noch dürfe er diese ändern. Bezüglich publizierter Mindestanforderungen der Eignung bestehe deshalb eine Selbstbindung des Auftraggebers. Der Auftraggeber dürfe bei der späteren Eignungsprüfung daher nicht zugunsten eines Bieters auf die Erfüllung der Mindestbedingungen verzichten. Das widerspräche dem Transparenzgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot.

Zudem sei der hier geforderte Mindestumsatz materiell rechtmäßig und nicht zu beanstanden. Der AG habe sich an die Vorgabe aus § 6a EU Nr. 2 Satz 1 c VOB/A gehalten, wonach maximal das Zweifache des Auftragswerts als jährlicher Mindestumsatz gefordert werden dürfe. Im vorliegenden Fall übersteige der festgelegte Mindestumsatz den geschätzten Auftragswert um das Zweifache nicht.


Anmerkung:

Wie die Entscheidung zeigt, dürfen die in der Bekanntmachung festgelegten Mindestanforderungen an die Eignung (übrigens ebenso wenig wie die Zuschlagskriterien für die Wertung der Angebote) im laufenden Vergabeverfahren geändert werden – weder vorsätzlich oder – wie wohl hier – versehentlich. Der AG ist an die bekanntgemachten Kriterien zwingend gebunden.