Mangel: Abnahmezeitpunkt maßgebend!
Ob eine Leistung mangelhaft ist, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme. Nimmt der Auftraggeber vorbehaltlos ab, so ist er für die Mangelhaftigkeit der Leistungen darlegungs- und beweispflichtig. Er kann in einem solchen Fall die Mangelhaftigkeit nicht allein darauf stützen, dass nach Abnahme ein mangelhafter Zustand eingetreten ist. Dies hat das OLG Oldenburg mit Beschluss vom 17.07.2023 (Az.: 12 U 214/19) entschieden.
Der Fall: AN errichtet für AG ein Holzrahmenhaus, AG nimmt dieses ab. Später behauptete AG, das Haus weise nicht die geschuldete Dichtheit auf. AN klagt Restwerklohn ein, AG hält dem ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Beseitigung der Mängel entgegen. Im Rahmen der Beweisaufnahme stellt ein Sachverständiger fest, das AN Fugen zwischen der Betonsohle und den aufgehenden Wänden stellenweise nicht sorgfältig abgedichtet hat. Allerdings sind auch andere, nicht von AN ausgeführte Gewerke mangelhaft, sodass der Sachverständige nicht feststellen kann, ob nur wegen der fehlerhaften Abdichtung der Sohle oder auch aus anderen Gründen die geschuldete Dichtheit verfehlt wird.
Das Urteil: AN gewinnt und erhält den vollen Werklohn! Das Gericht stellt fest, dass es für etwaige Mängel auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommt und dass hierfür nach der Abnahme AG beweispflichtig ist. Allein die Tatsache, dass das Haus jetzt eine mangelnde Dichtheit aufweist, begründet noch nicht die Mangelhaftigkeit des Werkes von AN, da in der Beweisaufnahme nicht geklärt werden konnte, welche der Leckagen, die von verschiedenen Gewerken verursacht wurden, letztlich zur Überschreitung des vertraglich vereinbarten Dichtheitswerts beigetragen haben. Deshalb sei AG der ihm obliegende Beweis der Mangelhaftigkeit des Werkes des AN nicht gelungen, sodass diesem voller Werklohn zu stehe.
Fazit: Es erscheint fraglich, ob die vorliegende Entscheidung richtig ist. Der Sachverständige hat nämlich jedenfalls festgestellt, dass AN die aufgehenden Wände stellenweise nicht fachgerecht abgedichtet hat und dass dies jedenfalls zur mangelnden Dichtheit beiträgt. Fest steht aber auch, dass der geschuldete Grad der Dichtheit durch verschiedene Mängel verschiedener Gewerke verursacht wurde und dass offenbar in diesem Fall auch die mangelhafte Leistung des AN hierzu beigetragen hat. Eine gesamtschuldnerische Haftung des AN mit den weiteren Gewerken kommt daher durchaus in Betracht. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass die fehlende Dichtheit bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorlag, was AG hier nicht beweisen konnte. Im Übrigen: Bereits die mangelnde Dichtigkeit der Fugen dürfte für sich genommen einen Mangel darstellen, sofern dies den anerkannten Regeln der Technik nicht entspricht, sodass an sich AN jedenfalls zunächst diesen Mangel beseitigen müsste, bevor er vollen Werklohn erhält, und zwar unabhängig davon, ob dies dann zu der vertraglich geschuldeten Dichtheit führt oder nicht.