
Ende der Kleinstaaterei bei Bauordnungen
Die Herausforderungen in der Baubranche sind vielfältig, und während die Bauminister der Länder in Baden-Baden über Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren und Bestandsrenovierung diskutieren, sehen Experten die drängendsten Probleme anderswo. In diesem Artikel betrachten wir die Schwierigkeiten, die die Vielzahl der Bauordnungen in Deutschland mit sich bringt und wie sie die Einführung neuer Bautechnologien und niedrigere Preise behindern. Wir beleuchten die Forderungen der Bauindustrie nach einer bundesweiten Lösung und die potenziellen Auswirkungen auf den Wohnungsbau.
Hemmnis für Innovationen und Kostenreduktion
Die deutsche Bauindustrie sieht sich mit einem komplexen Geflecht von Bauordnungen konfrontiert, das die Einführung innovativer Fertigungsmethoden und die Senkung der Baukosten erheblich erschwert. Tim Oliver Müller, Vertreter des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, betont die dringende Notwendigkeit, dass die Bundesländer ihre unterschiedlichen Interessen hintanstellen und sich stattdessen für eine einheitliche bundesweite Lösung engagieren. Er warnt davor, dass ohne eine solche Vereinheitlichung der Bauvorschriften der dringend benötigte Impuls für den Bau erschwinglicher Wohnungen ausbleiben wird.
Müller argumentiert, dass die Vielfalt der Bauordnungen die industrielle Produktion von Bauteilen für Häuser verhindert, die überall im Land genutzt werden könnten. Angesichts des Wohnungsmangels und der hohen Immobilienpreise kann sich die Politik diese Fragmentierung der Vorschriften nicht länger leisten. Daher appelliert die Bauindustrie an die Länder, in Baden-Baden konkrete Schritte zu unternehmen, um die Situation zu verbessern. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung ihre Bemühungen in diese Richtung verstärken und nicht zulassen, dass sie verwässert werden.
Potenzielle Vorteile einer einheitlichen Industrieproduktion
Die Einführung einheitlicher Industriestandards im Bauwesen könnte erhebliche Vorteile bringen, insbesondere in Bezug auf die Refinanzierungskosten. Allein durch die Umsetzung solcher Standards könnten die Nettokaltmieten für neu errichtete Mietshäuser um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Derzeit liegen diese Mieten bei etwa 18 Euro pro Quadratmeter und Monat. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist jedoch in Ballungsräumen am größten, wo die Mieten zwischen 8 und 12 Euro liegen.
Die Dringlichkeit des Problems
Nicole Razavi (CDU), die Vorsitzende der Bauministerkonferenz in Baden-Württemberg, ist sich der Dringlichkeit der Lage bewusst. Sie betont, dass der Neubau und die Sanierung von Wohnungen aufgrund der derzeitigen Bedingungen nicht mehr rentabel sind. Die Bauordnungen müssen dringend überarbeitet werden, um den Stillstand im Bausektor zu überwinden.
Digitalisierung als Lösungsansatz
Razavi setzt ihre Hoffnungen zunächst auf die Digitalisierung. Im Südwesten Deutschlands wurde vor kurzem das Digitale Bauamt eingeführt, was zu beschleunigten Bauvorhaben und potenziell niedrigeren Kosten führen soll. Die Bauindustrie ist jedoch skeptisch und argumentiert, dass derzeit lediglich analoge Prozesse digitalisiert werden. Das eigentliche Ziel sollte sein, einen einheitlichen digitalen Prozess in ganz Deutschland zu etablieren, bei dem Baugenehmigungen einheitlichen Anforderungen und Bearbeitungszeiten unterliegen. Die fehlende Vereinheitlichung von Prozessen, Programmen und Regeln wird als das Hauptproblem bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung angesehen.