Bedenkenanzeige vs. Auftraggeberanweisung

Bedenkenanzeige vs. Auftraggeberanweisung

Bedenkenanzeige vs. Auftraggeberanweisung

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 4 Min

Auch wenn der Auftragnehmer schriftlich Bedenken gegen die Ausführung der Leistung mitgeteilt hat, scheidet ein Leistungsverweigerungsrecht aus, wenn er vom Auftraggeber ausdrücklich angewiesen wurde, mit den Arbeiten zu beginnen. Der Auftraggeber kann bei Missachtung dieser Anweisung nach Fristsetzung kündigen. Dies hat der BGH mit Urteil vom 01.02.2024 (Az.: VII ZR 171/22) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit Bodenbelagsarbeiten unter Einbeziehung der VOB/B. Zum vereinbarten Arbeitsbeginn erscheint AN nicht. AG fordert AN unter Fristsetzung auf, mit der Arbeit zu beginnen. AN meldet wegen vorhandener Restfeuchte im Estrich Bedenken gegen die Ausführungen an. Gleichwohl ordnet AG die Fortsetzung der Arbeiten an. Nachdem AN auch weiterhin nicht beginnt, fordert AN ihn erneut unter Fristsetzung und Kündigungsandrohung zur Arbeitsaufnahme an. AN meldet erneut Bedenken an und erscheint auch weiterhin nicht. Daraufhin spricht AG eine Teilkündigung aus und lässt die Arbeiten von einem anderen Unternehmen fertigstellen. Anschließend klagt er die Ersatzvornahmekosten ein.

Das Urteil: Der BGH urteilt, die Teilkündigung des AGs sei wirksam. Daher könne er die entstandenen Ersatzvornahmekosten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2, Abs. 3 Nr. 2 VOB/B in Verbindung mit § 5 Abs. 4 VOB/B erstattet verlangen. Auch eine mehrfach, schriftliche Bedenkenanzeige verschaffe dem AN kein Leistungsverweigerungsrecht. AG habe den AN ausdrücklich angewiesen, mit den Arbeiten zu beginnen und damit das Risiko einer mangelhaften Ausführung übernommen. Auch ein Ausnahmefall, der AN berechtige, die Ausführung trotz Anweisung zu verweigern, liege nicht vor. Die Wirksamkeit der Teilkündigung, die sich auf bestimmte Teile des Auftrags be-schränkte, sei unbedenklich.

Fazit: Die Anweisung des Auftraggebers "sticht" im Regelfall die Bedenkenanzeige des Auftragnehmers. Dieser muss in aller Regel die Leistung ausführen, wenn er zwar Bedenken hat, der Auftraggeber ihn jedoch anweist, die Leistung gleichwohl auszuführen. Dies erscheint auch nur konsequent, wird doch AN bei einem wirksamen Bedenkenhinweis von der Mängelhaftung frei, § 13 Abs. 3 VOB/B. Nur ausnahms-weise steht dem AN das Recht zu, trotz entsprechender Anweisung des AG die Leistung zu verweigern. Solche Fälle sind etwa gegeben, wenn Gefahr für Leib oder Leben von Personen besteht oder wenn bei Befolgung der Anweisung wissentlich gegen gesetzliche oder behördliche Bestimmungen - etwa auch die Vorgaben der Baugenehmigung - verstoßen würde. Ein solcher Fall lag hier aber ersichtlich nicht vor.