Zur Präqualifizierung von Nachunternehmen

Zur Präqualifizierung von Nachunternehmen

Zur Präqualifizierung von Nachunternehmen

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 12 Min

Die Vergabekammer (VK) Rheinland hat mit Beschluss vom 02.04.2024 – VK 2/24 – u.a. folgendes entschieden:
1. Gemäß § 122 Abs. 3 GWB kann der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123 und 124 ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.
2. Der öffentliche Auftraggeber muss den durch Teilnahme am Präqualifizierungssystem erbrachten Nachweis der Eignung akzeptieren. Er darf diesen nur in begründeten Fällen in Zweifel ziehen.
3. Die Präqualifikation durch Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. ist als gleichwertig mit dem Eintrag in das "Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (AVPQ)" anzusehen. Bei beiden Präqualifikationen handelt es sich um amtliche Präqualifikationssysteme i.S.v. § 122 Abs. 3 GWB.
4. Etwaige Mindestanforderungen, die der öffentliche Auftraggeber für die Eignung der Bieter aufgestellt hat, wie z. B. Anzahl von Referenzen, Höhe von Umsätzen, können nicht automatisch für jeden der vorgesehenen Nachunternehmer gelten, wenn die Nachunternehmer nur Teilleistungen erbringen.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte als Los einer Gesamtmaßnahme die Durchführung von Arbeiten zur Wartung, Inspektion, Prüfung, Beseitigung von Störfällen und Instandsetzung als Bauauftrag im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Nach der Bekanntmachung sollte der Nachweis der Eignung anhand eines Eintrags in der Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen (PQ-Verzeichnis) oder durch Eigenerklärung gemäß Formblatt 124 des Vergabehandbuchs Bund (VHB) erfolgen. Bei Einsatz von Nachunternehmen (NU) waren die Eigenerklärungen auch für diese abzugeben. Waren die NU selbst qualifiziert, reichte die Angabe der Nummer, unter der sie im PQ- Verzeichnis geführt werden. Bieter A war nicht selbst präqualifiziert und reichte daher das Formblatt 124 ein. Für einen NU übersandte er dessen Zertifikat des amtlichen Verzeichnisses präqualifizierter Unternehmen der IHK (AVPQ IHK). Der AG schloss darauf das Angebot des A aus, weil sich der Eintrag im AVPQ IHK nicht auf Bauleistungen beziehe. Nach erfolgloser Rüge beantragte A Nachprüfung.

Die VK gibt Bieter A Recht. Der AG habe das Angebot des A nicht nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A ausschließen dürfen, denn er habe die Einreichung des PQ-Zertifikats des NU zu Unrecht nicht als Eignungsnachweis anerkannt. Gemäß § 122 Abs. 3 GWB könne der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123 und 124 GWB ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden. Das Unternehmen müsse in einem Vergabeverfahren dann nur den Zugangscode der Präqualifizierungsstelle bzw. das Zertifikat in Kopie vorlegen. Der öffentliche Auftraggeber müsse dann den durch Teilnahme am Präqualifizierungssystem erbrachten Nachweis der Eignung akzeptieren. Er dürfe diesen nur in begründeten Fällen in Zweifel ziehen. Für den Baubereich sei in § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A geregelt, dass die Präqualifizierung durch Aufnahme in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. ("Präqualifikationsverzeichnis") erfolge. Für den Bereich der Liefer- und Dienstleistungen sehe § 48 Abs. 8 VgV vor, dass die Präqualifizierung über den Eintrag in einem amtlichen Verzeichnis erfolge, das den Anforderungen des Art. 64 der Richtlinie 2014/24/EU entspreche und das von den Industrie- und Handelskammern eingerichtet werden könne. Seit 2009 gebe es unter dem Dach des DIHK ein bundeseinheitliches Präqualifikationssystem, das "Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (AVPQ)". Zur Präqualifikation im AVPQ reichten die Unternehmen einmal im Jahr bei der jeweils für den Haupt-/Betriebssitz zuständigen Präqualifizierungsstelle (PQ-Stelle) die vorgesehenen Dokumente entsprechend der Liste für Eignungsnachweise ein. Nach positiver Prüfung erhielten die Unternehmen ein Zertifikat mit speziellem Zugangscode und das Unternehmen werde in das AVPQ aufgenommen. Bei jeder Teilnahme an einem Vergabeverfahren, bei dem der AG im Rahmen der Eignungsprüfung ausdrücklich Nachweise, die mittels eines Präqualifizierungsverfahrens erworben würden, zugelassen habe, müsse das Unternehmen - nach entsprechender Aufforderung durch den Auftraggeber - lediglich seinen individuellen Zugangscode angeben bzw. das Zertifikat als Kopie beifügen.

Bieter A habe hier für den im AVPQ eingetragenen NU die o.g. Unterlagen vorgelegt. Damit habe er auch für diesen NU den Eignungsnachweis geführt. Dem stehe nicht entgegen, dass der AG in seinen Vergabeunterlagen nur die Präqualifikation in der Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. genannt habe. Denn die Präqualifikation durch Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. sei als gleichwertig mit dem Eintrag in das "Amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Liefer- und Dienstleistungsbereich (AVPQ)" anzusehen. Bei beiden Präqualifikationen handele es sich um amtliche Präqualifikationssysteme i.S.v. § 122 Abs. 3 GWB. Da der AG den vorliegenden Auftrag als Bauauftrag nach VOB/A ausgeschrieben habe, sei es zwar konsequent, dass er als PQ-System nur die Präqualifikation nach § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A in seinen Ausschreibungsunterlagen genannt habe. Unstreitig sei jedoch, dass der vorliegend ausgeschriebene Auftrag auch einen nicht unerheblichen Anteil an Dienstleistungen - wie Wartung, Inspektion von Feuer und Rauchschutztüren u.a. - umfasse (ca. 20%), wie sich das i.ü. auch aus dem Leistungsverzeichnis ergebe. Diese Dienstleistungen sollten u.a. von dem NU ausgeführt werden. Als Unternehmen, dessen Aufgabenspektrum laut Internet-Auftritt insbesondere Dienstleistungen, so auch die Wartung und technische Prüfung von Brand- und Rauchschutztüren umfasse, d.h. kein Bauunternehmen sei, habe der NU sich nicht vom Verein für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. präqualifizieren lassen, sondern richtige Präqualifizierungseinrichtung sei die Industrie- und Handelskammer gewesen.

Abschließend weist die VK auf folgendes hin: Wenn der AG die Eignung von Nachunternehmen prüfe, so beziehe sich diese Prüfung immer nur auf die vom NU zu erbringenden Leistungsteile. So könnten etwaige Mindestanforderungen, die der öffentliche AG für die Eignung der Bieter aufgestellt habe, wie z.B. Anzahl von Referenzen, Höhe von Umsätzen etc., nicht automatisch für jeden der vorgesehenen NU gelten, wenn die NU nur Teilleistungen erbringen würden. Vielmehr beziehe sich die Eignungsprüfung dann jeweils nur auf die vom Nachunternehmen zu erbringenden Leistungsanteile.

Anmerkung:
Die Entscheidung muss sicher unter dem Aspekt gesehen werden, dass der NU hier nicht nur Bau-, sondern auch Dienstleistungen erbringen sollte, für die die spezielle Präqualifikation gemäß AVPQ gilt, weshalb die Entscheidung sicher nicht verallgemeinert werden darf. Dennoch muss der AG genau prüfen, ob die im jeweiligen PQ-Verzeichnis hinterlegten Dokumente den Einsatzbereich des vorgesehenen NU tatsächlich abdecken. Dabei hat der AG besonders zu beachten, dass nicht von allen Nachunternehmen in gleicher Weise Nachweise gefordert werden dürfen, sondern nur für die jeweils von einem NU auszuführenden Leistungsteile (siehe auch Tenor Nr. 4).