Zur Fabrikatsangabe eines Bieters mit dem Zusatz „oder gleichwertig“

Zur Fabrikatsangabe eines Bieters mit dem Zusatz „oder gleichwertig“

Zur Fabrikatsangabe eines Bieters mit dem Zusatz „oder gleichwertig“

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 13 Min

Die Vergabekammer (VK) des Bundes hat mit Beschluss vom 16.05.2023 - VK 2-28/23 – folgendes entschieden:

Enthält eine Fabrikatsangabe im Bieterangabenverzeichnis den Zusatz "oder gleichwertig", ist das Angebot unbestimmt und daher vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Der Bund als öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Ersatzneubau einer Brücke im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Das Bauvorhaben umfasste u.a. die Herstellung von zwei Straßenhilfsbrücken. Das LV führte insoweit in den Positionen 9.3.60 und 9.3.70 jeweils einen bestimmten Brückentyp der Firma X als Leitfabrikat auf, ergänzt um den Zusatz „oder gleichwertig“. In den beiden LV-Positionen fand sich auch jeweils der Hinweis auf das Bieterangabenverzeichnis. Dieses „Bieterangaben - Verzeichnis“ enthielt unter Angabe der Ordnungszahl und einer Kurzbeschreibung mehrerer LV-Positionen jeweils ein Freifeld für „Angaben des Bieters“, wobei neben zahlreichen anderen Positionen hier auch die Pos. 9.3.60 und 9.3.70 angegeben waren. Das Angebot des preislichen Bestbieters A enthielt u.a. auch das Bieter-angabenverzeichnis. Zu den Positionen 9.3.60 und 9.3.70 hatte er in der Spalte „Angaben des Bieters“ jeweils das Leitfabrikat aufgeführt, jeweils ergänzt durch den Zusatz „o. glw.“. Der AG beabsichtigte, dem Angebot des A den Zuschlag zu erteilen. Der zweitplatzierte Bieter B beantragte Nachprüfung – mit dem Argument, dass A das Leitfabrikat nicht liefern könnte.

Die VK Bund gibt Bieter B Recht; der AG dürfe den Zuschlag nicht auf das Angebot des A erteilen. Das Angebot der A sei aufgrund des Zusatzes "o. glw." im Bieterangabenverzeichnis unbestimmt und komme daher nicht für einen Zuschlag in Betracht. Vielmehr sei das Angebot entsprechend § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 16 EU Nr. 2 VOB/A auszuschließen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht habe der AG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der VK erneut in die Wertung der Angebote einzutreten.

§ 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A bestimme in Satz 3, dass Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen zweifelsfrei sein müssten. Dieser Regelung sei im Sinne eines Erst-recht- Schlusses der allgemeinere Grundsatz zu entnehmen, dass Angebote bereits von Beginn an - ohne dass es auf das Vorliegen einer nachträglichen Änderung ankäme - zweifelsfrei sein müssten. Nur auf der Basis eines bestimmten Inhaltes könne das Angebot auch durch die Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers angenommen werden und die vertraglichen Beziehungen zwischen Bieter und AG definieren. Unklare Angebote hingegen ermöglichten letztlich keinen Vergleich der Angebote und damit keine gleiche Behandlung der Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) untereinander, eröffneten die Möglichkeit der Manipulation und böten dem Auftraggeber keine Gewissheit, welche Leistung er vom Bieter beanspruchen könne.

Durch seine Angaben im Bieterangabenverzeichnis zu den Positionen 9.3.60 sowie 9.3.70 habe A ausdrücklich offen gelassen, welche Behelfsbrücken er anbiete. Im Zuschlagsfall könne A entweder das Leitfabrikat gem. Leistungsverzeichnis verwenden oder ein bislang nicht namentlich genanntes anderes Produkt, welches aus seiner Sicht gleichwertig zum Leitfabrikat sein solle. Denn A habe das Leitfabrikat oder ein gleichwertiges Fabrikat ("o. glw.") eingetragen. Entgegen dem Vorbringen des A könne die Angabe unter Ziffer 8 des Angebotsschreibens vorliegend nicht die gebotene Eindeutigkeit herstellen. Vielmehr entpuppe sich damit das Angebot als wahlweises Angebot, da das gleichwertige Fabrikat vom Bieter gerade nicht konkretisiert werde.

Welches Fabrikat das Angebot umfasse, müsse dann jedoch jedenfalls bei den hier vorliegenden Rahmenbedingungen (Erfordernis der Benennung des konkret angebotenen Fabrikats im Bieterangabenverzeichnis) konkret durch den Bieter bestimmt werden; daran ändere der Gleichwertigkeitszusatz im Leistungsverzeichnis nichts. Durch die Verwendung des Gleichwertigkeitszusatzes habe der AG zwar grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen, weitere Hauptangebote zuzulassen. Auch sei hier die Möglichkeit der Einreichung von Nebenangeboten eröffnet. Eine Wertung als zweites Hauptangebot oder als Nebenangebot scheide hier aber ungeachtet der Tatsache, dass keine Deklarierung als Nebenangebot erfolgt sei (§13 EU Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 16 EU Ziff. 7 VOB/A), aus den dargelegten Gründen ebenfalls aus; auch Neben- oder zweite Hauptangebote müssten inhaltlich bestimmt sein, ansonsten seien sie nicht zuschlagsfähig (vgl. für Hauptangebote § 13 EU Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 16 Ziff. 8 VOB/A).

Dass A hier anstatt – wie vom AG ausgeschrieben - eines bestimmten Produktes gleichzeitig Alternativprodukte angeboten habe, dürfte sich auch als Änderung der Vergabeunterlagen i. S. d. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 S. 2 VOB/A darstellen und ebenfalls einen Ausschlussgrund gem. § 16 EU Nr. 2 VOB/A verwirklichen, worauf es jedoch nicht mehr entscheidend ankomme.

Eine Aufklärung des Angebots sei hier nicht zulässig. Denn vorliegend sei die Grenze zur Angebotsänderung überschritten. § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A lege fest, dass die Aufklärung u.a. im offenen Verfahren auch hinsichtlich des Angebotes selbst zulässig sei, schränke aber in Abs. 3 ausdrücklich ein, dass Änderungen der Angebote nicht erfolgen dürften.

A habe sich nicht und an keiner Stelle seines Angebotes festgelegt. Dies stelle eine bewusste Entscheidung des A dar. Dafür spreche nicht zuletzt auch, dass A die fragliche Formulierung "o. glw." bzw. "o. vgl." auch in mehreren anderen, nicht nur auf Brücken bezogenen Positionen des Bieterangabenverzeichnisses verwendet habe. Ein die Aufklärung ermöglichender Eintragungsfehler (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 02.08. 2018 -Verg 17/17, zu § 15 Abs. 5 VgV) liege damit nicht vor. Eine nachträgliche Festlegung auf ein bestimmtes Fabrikat wäre aber eine unzulässige Änderung gegenüber dem abgegebenen, inhaltlich nicht festgelegten Angebot.


 

Anmerkung:


 

Bieter A hätte hier aufgrund des Gleichwertigkeitszusatzes in der Ausschreibung ein weiteres Hauptangebot oder ein Nebenangebot abgeben können – allerdings unbedingt unter Angabe eines ganz konkreten Produktes. Mit der Angabe „o. glw“ kann der AG nichts anfangen, d.h. er weiß effektiv nicht, was er im Ergebnis für ein Produkt vom Bieter bekommt – unabhängig davon, dass mit dieser Angabe ein Vergleich der Angebote gar nicht möglich ist.

Was an der Entscheidung etwas verwundert, ist die Tatsache, dass die VK nicht darauf eingeht, dass hier der AG fehlerhaft ausgeschrieben hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung genügt allein der bloße Verweis auf ein Leitfabrikat mit dem Zusatz „o. glw.“ nicht und verstößt gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A. Vielmehr muss in diesem Fall der AG zwingend Parameter angeben, aus denen ersichtlich wird, was er für gleichwertig hält (siehe VK Rheinland, B. v. 26.05.2021 – VK 3/21; VK Thüringen, B. v. 21.11.2019 - 250-4003-15123/2019-E-021-EF).