Sozialversicherungs-Dilemma: Was Geschäftsleiter beachten müssen
Zum 1. Januar 2025 steigen die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung: Der Pflegebeitrag erhöht sich um 0,2 Prozentpunkte, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung um durchschnittlich 0,8 Prozentpunkte. Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen diese Kosten jeweils zur Hälfte. Die Anpassung soll finanzielle Engpässe in den Sozialversicherungen abfedern.
Finanzielle Schieflagen und Haftungsrisiken
„Viele Unternehmen befinden sich in einer ähnlichen Lage wie die Sozialversicherungen – in einer finanziellen Schieflage oder kurz davor“, erklärt Thomas Dömmecke, Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. In solchen Situationen versuchen Geschäftsleiter, eine Insolvenz abzuwenden, müssen dabei aber die erhöhten Sozialversicherungsbeiträge und ihre Haftungsrisiken berücksichtigen.
Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife
Nach § 15b der Insolvenzordnung (InsO) haften Geschäftsleiter persönlich für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlungen berechtigte Verbindlichkeiten betreffen. Die Rückforderung durch einen Insolvenzverwalter kann für die Geschäftsleitung existenzbedrohende Folgen haben.
Das Sozialversicherungs-Haftungsdilemma
Geschäftsleiter stehen in einem Konflikt: Einerseits untersagt § 15b InsO Zahlungen nach Insolvenzreife. Andererseits sind sie verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge pünktlich abzuführen, andernfalls drohen persönliche Haftung oder sogar ein Strafverfahren. „Dieses Dilemma zwingt Geschäftsleiter dazu, zwischen zwei problematischen Optionen zu wählen“, so Dömmecke.
Sozialversicherungsbeiträge sind keine Steuern
Ein steuerrechtlicher Ausweg, der die Haftung bei rechtzeitigem Insolvenzantrag ausschließt, gilt nicht für Sozialversicherungsbeiträge. Das Amtsgericht Ludwigshafen entschied 2022, dass Sozialversicherungsbeiträge keine Steuern sind und daher eine Ausnahme nicht greift. Geschäftsleiter sollten sich deshalb frühzeitig juristisch beraten lassen, um finanzielle und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Insolvenzgründe: Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit
Ab Januar 2024 gilt die Insolvenzantragspflicht uneingeschränkt. Ein Unternehmen ist überschuldet, wenn Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen und eine Fortführung innerhalb der nächsten zwölf Monate unwahrscheinlich ist. Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn ein Unternehmen mehr als zehn Prozent seiner Verbindlichkeiten nicht begleichen kann und dies auch innerhalb von drei Wochen nicht beheben kann.
Professionelle Hilfe und rechtzeitiger Antrag
„Ein Insolvenzantrag ist nicht das Ende, sondern oft der Anfang einer Sanierung“, betont Alexander Eggen, Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Mit einer frühzeitigen Vorbereitung, bestehend aus Unternehmenskonzept, Finanzplan und Fortführungsprognose, steigt die Chance auf einen erfolgreichen Neustart erheblich.
Fazit
Geschäftsleiter sollten ihre Haftungsrisiken bei finanziellen Engpässen und gestiegenen Sozialversicherungsbeiträgen genau prüfen. Professionelle Beratung und rechtzeitige Maßnahmen sind entscheidend, um nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch Chancen auf eine erfolgreiche Unternehmenssanierung optimal zu nutzen.