Beteiligung an mehreren Angeboten: Ausschluss?

Beteiligung an mehreren Angeboten: Ausschluss?

Beteiligung an mehreren Angeboten: Ausschluss?

  • Leitsätze & Urteile

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 10.11.2023 – VK 1-63/23 – folgendes entschieden:
Nimmt ein Unternehmen nicht selbst als Bieter/Bewerber an einer öffentlichen Ausschreibung teil, sondern ist es an den Angeboten mehrerer Bieter als Nachunternehmer/Eignungsleiher beteiligt, liegt keine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung vor, auf die ein Ausschluss der betreffenden Bieter/Bewerber mangels Eignung gestützt werden kann.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Beschaffung von Standardsoftware im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb (TNW) europaweit ausgeschrieben. Während des TNW stellte der AG fest, dass mehrere Bewerber die X GmbH als Nachunternehmer (NU) bzw. Eignungsverleiher einsetzen wollten. Er bat darauf die betreffenden Bewerber um Darlegung, welcher Anteil an der Gesamtleistung auf die X GmbH entfalle und wie die Einhaltung des Geheimwettbewerbs sichergestellt werde. Bieter A teilte darauf mit, dass mit X – wie eine Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden sei, alle vertraulichen Informationen geheim zu halten sowie organisatorische und technische Vorkehrungen zu treffen, um eine Gefährdung des Geheimwettbewerbs auszuschließen. Die übrigen Bewerber hatten ebenfalls solche Vereinbarungen mit X geschlossen. Der AG kündigte an, dass X eine schwere Verfehlung gem.  § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB begangen haben könnte, weshalb er dessen Ersetzung forderte und darauf A vom weiteren Vergabeverfahren ausschloss. Dagegen wehrte sich A mit Nachprüfungsantrag.

Die VK gibt Bewerber A Recht, da dessen Ausschluss mangels Eignung rechtswidrig war. Denn die X GmbH, die auch für weitere Bewerber auftrete, erfülle keine Ausschlussgründe gem. § 47 Abs. 2, S. 1,4, § 36 Abs. 5 S. 1,3 i. V. m. § 124 GWB und dürfe weiterhin als Eignungsverleiher und NU eingesetzt werden. Denn es gebe keinen hinreichenden Grund, die Ersetzung der X zu verlangen und den mit ihm zusammenarbeitenden A aus dem Vergabeverfahren auszuschließen.

Der Ausschlusstatbestand nach den genannten Vorschriften scheitere im Hinblick auf X hier bereits daran, dass X nicht "mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt habe", die dieser Vorschrift unterfielen.  Denn worauf sich der AG hier berufe, seien keine Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen, sondern allein das Verhalten der X, die an mehreren Angeboten als Nachunternehmer und/oder Eignungsverleiher beteiligt sei. Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB lägen jedoch nur dann vor, wenn hieran mindestens zwei verschiedene Wirtschaftsteilnehmer beteiligt seien (vgl. EuGH, Urt. v.  15. 09. 2022, Rs.C-416/22). Dass die betreffenden Bieter ihre Angebotsinhalte selbst untereinander abgestimmt hätten, sei hier nicht ersichtlich.

Die Beteiligung der X als NU oder Eignungsverleiher bezwecke oder bewirke auch keine "Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs" i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB, auch wenn X in dieser Eigenschaft an mehreren Angeboten beteiligt sei. Denn der (Geheim-)Wettbewerb, den der AG hier beeinträchtigt sehe, sei der Wettbewerb der am Verhandlungsverfahren teilnehmenden, einzelnen Bieter, also der Wettbewerb innerhalb eines konkreten Vergabeverfahrens. Der AG meine, X würde den Bietern Informationen über die Angebote der anderen Bieter weitergeben oder den Wettbewerb unter diesen steuern. An diesem Wettbewerb sei jedoch X selbst nicht beteiligt: Sie stelle den Bietern zwar - zum Teil in großem Umfang - eine Vorleistung bereit und führe teilweise auch die späteren vertraglichen Leistungen für die Bieter aus; darüber hinaus habe X jedoch keinen Einfluss auf die konkreten Angebote. Das heißt, die Bieter müssten zwar in ihrem Angebotspreis die Konditionen, die ihnen X in ihrem NU-Angebot eingeräumt habe, berücksichtigen. Darin, wie und inwieweit sie dies täten, seien die jeweiligen Bieter jedoch weiterhin unabhängig; dies gelte erst recht für die weiteren Angebotsbestandteile, die die Bieter ohne X erbringen würden. Die Bieter seien und blieben eigenständige und von X unabhängige Unternehmen. In einem solchen Fall wäre es nicht einmal gesellschaftsrechtlich oder aufgrund personeller Überschneidungen miteinander verbundenen Unternehmen grundsätzlich verboten, sich gleichzeitig am selben Vergabeverfahren zu beteiligen Dasselbe müsse erst recht gelten, wenn wie hier zwischen X und A gar keine solche unternehmerischen oder personellen Verbindungen bestünden. Dies ergebe sich auch aus bisher ergangenen Entscheidungen, die sich mit der Frage einer Wettbewerbsbeeinträchtigung durch eine Mehrfachbeteiligung von Unternehmen an ein und demselben Vergabeverfahren befasst hätten. Es habe sich hier aber stets um Fälle gehandelt, in denen die betreffenden Unternehmen entweder selbst jeweils eigene Angebote abgegeben hätten oder in denen zumindest das eine Unternehmen, das Nachunternehmer eines anderen Bieters war, zusätzlich selbst ein Angebot abgegeben hätte. Wenn ein Unternehmen wie hier lediglich als NU für ein oder mehrere Bieter tätig sei, aber selbst kein eigenes Angebot abgebe, sei dies für den Vergabewettbewerb hingegen grundsätzlich unbedenklich.

Aus denselben Gründen liege hier kein "Scheinwettbewerb" dergestalt vor, dass mehrere Bieter nur scheinbar als unabhängig voneinander agierende Wettbewerber aufträten, diese tatsächlich aber in wesentlichem Umfang gemeinsam agierten und sich so Vorteile im Vergabewettbewerb verschaffen würden. Denn trotz der je nach Leistungsteil erheblichen Bedeutung der Vorleistungen und Leistungen der X für die einzelnen Angebote hätten die Bieter hier ausreichende eigene Gestaltungs- und Kalkulationsspielräume, ihr Angebot individuell und unabhängig zu erstellen.  Aufgrund der abgeschlossenen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarungen, aber auch weil die einzelnen Bieter als unabhängige Unternehmen gar kein Interesse daran hätten, ihrem NU hiervon zu berichten, erfahre X auch nichts vom endgültigen und vollständigen Angebotsinhalt. Schon aus diesem Grund bestehe daher hier keine Gefahr, dass Angebotsinformationen über X an einen anderen Bieter weitergegeben würden. Im Übrigen bestünden hierfür derzeit auch keine konkreten Anhaltspunkte. Etwas anderes möge dann gelten, wenn der AG im weiteren Vergabeverfahren konkrete Hinweise dafür erlangen würde, dass die Bieter Kenntnis von den Angeboten der anderen Bieter hätten.


Anmerkung:

Wie die Entscheidung zeigt, ist genau zu differenzieren, wie die mehrfache Beteiligung eines Nachunternehmers konkret aussieht: Allein die Tatsache der mehrfachen Beteiligung genügt allein nicht, um einen Verstoß gegen den Geheimwettbewerb anzunehmen. Es müssen vielmehr eindeutige Anhaltspunkte dazukommen, dass für den Vergabewettbewerb der Bewerber bzw. Bieter maßgebliche Informationen durch das mehrfachbeteiligte Nachunternehmen bzw. den Eignungsverleiher an andere Bieter tatsächlich weitergegeben wurden. Allein der Verdacht, dies könnte evtl. geschehen, reicht nicht aus.