Bayerische Ingenieurekammer-Bau fordert Paradigmenwechsel
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau (BayIka-Bau) setzt sich für eine nachhaltige Bauweise ein, die auf der Analyse der Lebenszykluskosten basiert. Präsident Prof. Gebbeken betont, dass diese Kosten die Energiebilanz eines Gebäudes über dessen gesamte Nutzungsdauer abbilden – von der Herstellung und dem Transport der Baumaterialien bis hin zur Nutzung, Sanierung und Entsorgung. „Nur die Lebenszykluskosten sind ehrliche Kosten!“, erklärt Gebbeken und fordert, sie konsequent in Bauentscheidungen einzubeziehen.
Abriss nur bei Unzumutbarkeit
Das Prinzip „Sanieren vor Neubau“ sollte laut Gebbeken zur Norm werden. Mittelfristig fordert er eine Genehmigungspflicht für den Abriss von Gebäuden. Eine Abrissgenehmigung dürfe nur erteilt werden, wenn eine Weiterverwendung des Bauwerks oder seiner Teile unter Berücksichtigung der grauen Energie technisch oder wirtschaftlich nicht möglich sei.
Kreislaufwirtschaft als Schlüssel zur Klimaneutralität
Das von der Ingenieurekammer initiierte Bündnis „Sustainable Bavaria“ sieht Recycling und die lebenszyklusbasierte Nutzung von Baustoffen als essenziell, um die Klimaziele zu erreichen. Dazu fordert die Kammer:
• Energiekonzepte und Materialkarten: Für öffentliche Bauprojekte sind umfassende Konzepte für Energie, Recycling und Wiederverwendung notwendig.
• Quoten für Recyclingbaustoffe: Sekundärbaustoffe und rückgebaute Bauteile sollten verstärkt eingesetzt und über bayernweite Materialbörsen gehandelt werden.
Reformvorschläge für nachhaltigeres Bauen
Gebbeken präsentierte dem Ausschuss Wohnen, Bau und Verkehr weitere Maßnahmen, um den Bausektor nachhaltiger zu gestalten:
1. Freier Zugang zu Bauvorschriften: Technische Normen, inklusive historischer, sollten digital und kostenfrei verfügbar sein, um den Erhalt von Baudenkmälern zu fördern.
2. Einfachere Bauproduktenverordnung: Schnellere Entscheidungen durch ein Vier-Augen-Prinzip bei Prüfinstituten könnten Bürokratie abbauen.
3. Multifunktionale Stadtplanung: Die strikte Trennung zwischen Wohnen, Infrastruktur, Grünflächen und Freizeit sollte durch flexible Lösungen ersetzt werden.
4. Förderung der Nachverdichtung: Klimafreundliche Nachverdichtungen in Städten reduzieren den Flächenverbrauch und stärken die Infrastruktur.
5. Gründächer und Fassadenbegrünung: Begrünte Flächen sollten in bestimmten Bereichen zur Pflicht werden, um das Mikroklima zu verbessern.
6. Regenwassermanagement: Eigentümer sollten verpflichtet werden, Regenwasser vor Ort zu speichern oder zu versickern.
7. Förderung CO₂-neutraler Heizsysteme: Wärmepumpen und Solarthermie sollten bei Sanierungen Vorrang erhalten, während fossile Heizsysteme langfristig verboten werden.
8. Ressourcenschonende Materialien: Baustoffe wie Holz, Lehm und Recyclingmaterialien sollten bevorzugt werden.
9. Digitaler Gebäudepass: Die Einführung eines digitalen Gebäudepasses soll alle Materialien und Maßnahmen dokumentieren und die Bewertung der grauen Energie erleichtern.
Nachhaltigkeit als Wegweiser für die Zukunft
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau fordert eine umfassende Transformation des Bausektors hin zu mehr Nachhaltigkeit. Sanierung, Recycling und effiziente Planung sollen nicht nur den Klimaschutz fördern, sondern auch langfristig wirtschaftlich sinnvoll sein.