Baustellenkoordination übertragen: Eingriff in die VOB/B!

Baustellenkoordination übertragen: Eingriff in die VOB/B!

Baustellenkoordination übertragen: Eingriff in die VOB/B!

  • Vergaberecht & Baurecht
  • 6 Min

Sieht ein Bauvertrag neben der einbezogenen VOB/B eine Klausel vor, nach der der Auftragnehmer für die Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und sich auch mit weiteren Auftragnehmern abzustimmen hat, um gegenseitige Gefährdungen auszuschließen, so liegt darin eine Abweichung von § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B (2012), die zu einer Inhaltskontrolle der VOB/B führt. Dies hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 12.12.2023 (Az.: 10 U 22/23) entschieden.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber regelt in einer Klausel seiner zusätzlichen Vertragsbedingungen u. a., dass der Auftragnehmer für die Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und die Koordination mit anderen Auftragnehmern zu übernehmen hat, um eine gegenseitige Gefährdung zu vermeiden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B (die auch in der neusten Version von 2019 unverändert gilt) ist es hingegen die Aufgabe des Auftraggebers, für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen und das Zusammenwirken der Auftragnehmer zu koordinieren.

Das Urteil: Nach Auffassung des OLG Stuttgart weicht AG mit der Klausel von der VOB/B ab mit der Folge, dass die gesamte VOB/B der AGB-Inhaltskontrolle unterliegt. Für eine solche Abweichung, die eine Anwendung der Privilegierung nach § 310 Abs. 1 S. 3 BGB ausschließt, reicht bereits irgendeine vertragliche Abweichung. Eine solche Abweichung führt dazu, dass die VOB/B nicht mehr als Ganzes vereinbart ist, auf das Gewicht des Eingriffs kommt es nicht an, ebenso wenig darauf, ob der "Kernbereich" der VOB/B betroffen ist. Hat der Verwender der AGB (hier also AG) eine Klausel gestellt, die von der VOB/B abweicht, so unterliegt die VOB/B der AGB-Inhaltskontrolle mit der Folge, dass die meisten für den Verwender günstigen VOB/B Klauseln nicht Vertragsinhalt werden.

Fazit: Die Entscheidung des OLG Stuttgart folgt der Linie des BGH. Vereinbaren die Parteien die VOB/B ohne irgendeine Abweichung, so greift der Schutz des § 310 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Folge, dass die VOB/B nicht der Inhaltskontrolle durch das AGB-Recht unterfällt. Weichen die Parteien hingegen in nur einem einzigen Punkt der VOB/B ab, so verfallen - unabhängig vom Gewicht der Klausel - alle Regelungen der VOB/B der Inhaltskontrolle, was sich stets zu Lasten des Verwenders der AGB auswirkt. Dabei neigt die Rechtsprechung zwischenzeitlich zunehmend dazu, auch inhaltliche Klauseln der VOB/B für unwirksam zu erklären, so zuletzt § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B (BGH Az.: VII ZR 43/20 vom 09.01.2023). Nur in seltenen Fällen (z. B. § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B, § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B) erlaubt die VOB selbst Abweichungen von ihren Regelungen. Sofern die Parteien also die Vereinbarung der VOB/B gemeinsam wollen, sind sie gut beraten, diese ohne Abweichungen in anderen Vertragsklauseln zu vereinbaren.