Anerkannte Regeln der Technik und Mängel
Der Besteller kann erwarten, dass ein Werkunternehmer bei der Herstellung des Werkes nicht nur die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet, sondern auch die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, etwa die einschlägige Garagenverordnung. Tut er dies nicht, liegt auch dann ein Mangel vor, wenn ein Schaden nicht eingetreten ist und auch keine konkrete Beeinträchtigung der Funktion des Werkes vorliegt. Dies hat das OLG Koblenz mit Urteil vom 07.07.2022 (Az.: 1 U 1473/20) entschieden. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge hat der BGH mit Beschluss vom 24.05.2023 (Az.: VII ZR 139/22) zurückgewiesen.
Der Fall: AN - ein Bauträger - plant und errichtet einen Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungseigentumseinheiten. Der Kläger AG erwirbt eine dieser Einheiten. Später rügt er, dass die Tiefgaragenrampe nicht problemlos nutzbar, weil zu steil und zu schmal sei und dass auch die von ihm mit erworbenen Parkplätze mit größeren Fahrzeugen nicht bzw. nur mit größter Mühe angefahren werden können. Die Garage entsprechen nicht der einschlägigen Garagenverordnung (und zwar schon deshalb, weil ihre Einfahrt keine Mindestbreite von 2,75 m einhält). AN bestreitet die Mängel und behauptet, er habe AG anlässlich einer Ortsbegehung und auch später über die Einschränkungen der Tiefgaragenzufahrt und der erworbenen Parkplätze informiert. AG klagt und fordert Nachbesserung.
Das Urteil: Das OLG Koblenz verurteilt AN in weiten Teilen zur Nachbesserung. Der Werkunternehmer sei in der Regel stillschweigend zur technisch einwandfreien Herstellung des Werkes und zur Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtet. Gleiches gelte für die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen wie etwa die Bauordnungen der Länder, die Brandschutzvorschriften oder - wie hier - die Vorschriften der einschlägigen Garagenverordnung. Entspreche das Werk diesen Regeln nicht, so liege auch dann ein Mangel vor, wenn weder ein Schaden aufgetreten sei noch sonst eine konkrete Beeinträchtigung der Funktion des Werkes vorliege. Ein Verstoß gegen die Garagenverordnung liege hier schon deshalb vor, weil die vorgeschriebene Mindestbreite der Einfahrt von 2,75 m nicht eingehalten sei. Selbst wenn AN den AG im Rahmen eines Ortstermins über die Beeinträchtigung unter Vorlage von Bauplänen aufgeklärt habe, sei dies nicht ausreichend. Gegenüber einem bautechnischen Laien hätte es einer ausdrücklichen vorherigen Aufklärung auch bezüglich der zu erwartenden Folgen für die tatsächliche Benutzbarkeit der Garage bedurft. Dies gelte selbst dann, wenn keine Funktionseinschränkungen gegeben seien. Eine solche liege hier jedoch vor. Lediglich hinsichtlich der Neigung der Tiefgaragenzufahrt weist das Gericht die Klage ab, da hier eine Nachbesserung unmöglich sei. Diese finde dort ihre Grenze, wo eine wesentliche Veränderung der Grundsubstanz und der Konstruktion des Werkes in Rede stehe.
Fazit: Wer sich nicht an die einschlägigen Bauvorschriften und an die anerkannten Regeln der Technik hält, baut mangelhaft, und zwar selbst dann, wenn ein Schaden für den Auftraggeber nicht vorliegt und das Werk in seiner Funktion nicht beeinträchtigt ist. Dass ein Bauträger, der die hiesige Wohnanlage nicht nur gebaut, sondern auch geplant hat, für die Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften wie hier der Garagenverordnung haftet, liegt auf der Hand. Eine andere Frage ist es, ob dies auch für den Unternehmer gilt, der vom Bauträger mit der Herstellung des von ihm (oder von seinem Architekten) geplanten Werkes beauftragt wird. Baut der Unternehmer vom Bauträger zur Verfügung gestellten Plänen, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn er seine Hinweispflichten verletzt hat. Ob allerdings der Bauunternehmer auf die fehlerhafte Planung im Sinne einer Nichtbeachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften wie hier der GaragenVO hinweisen muss, ist mehr als zweifelhaft, denn im Grundsatz gilt: Der Unternehmer muss nicht klüger sein als der Planer.