
Lohnt sich ein Balkonkraftwerk?
Im Rahmen des Projekts Angewandte Wissenschaft entstand eine modellbasierte Entscheidungshilfe, die die Stromerzeugung von Balkonkraftwerken simuliert, den zeitlichen Haushaltsverbrauch analysiert und beide Seiten zu einer Wirtschaftlichkeitsbewertung zusammenführt. Ziel war eine belastbare Grundlage für private Investitionsentscheidungen.
Studienformat PAW am Campus Minden
Das Projekt ist Teil der praxisintegrierten Studiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen, in denen Bachelor-Studierende zwischen Betrieb und Hochschule wechseln. Im sechsten Semester verbinden die sogenannten PAWs Theorie und Praxis; die Teams arbeiten eigenverantwortlich, während die Lehrenden vorwiegend als Mentoren begleiten.
Teamzuschnitt und internationale Kooperation
Dreizehn Studierende, überwiegend aus dem Wirtschaftsingenieurwesen und ergänzt durch drei angehende Elektroingenieurinnen und -ingenieure, bearbeiteten die Aufgabe interdisziplinär. Über Lehrkooperationen wurden Perspektiven von Partnerhochschulen in Changzhou und Hainan (China) sowie der Royal University of Bhutan eingebunden; organisatorische Hürden durch Zeitverschiebung, Sprache und fehlende Anrechnungspunkte wurden dokumentiert und für künftige Durchläufe berücksichtigt.
Simulation der Stromerzeugung
Die Ertragsseite wurde mit Daten des „Photovoltaic Geographical Information System“ (PVGIS) der EU modelliert. Berücksichtigt wurden unter anderem Ausrichtung, Neigungswinkel, Anzahl der Module, jahreszeitliche Unterschiede sowie Standortvariationen zwischen Bundesländern und zwischen ländlichen und urbanen Lagen mit unterschiedlicher Luftverschmutzung. Die Parametrisierung erzeugte eine Datengrundlage von rund 42.000 Zeilen; zur Reduktion der Komplexität wurden stündliche Werte für einen Referenztag je Monat eingesetzt.
Simulation des Haushaltsverbrauchs
Für die Nachfrageseite nutzte das Team Standardlastprofile des BDEW und bildete typische Tagesverläufe im Viertelstundentakt über die Monate ab. Besondere Aufmerksamkeit galt verbrauchsintensiven Geräten und Anwendungen; Wärmepumpen und Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen wurden als Treiber signifikanter Lastspitzen identifiziert, die den Momentanverbrauch eines Haushalts dominieren können.
Datenabgleich und Qualitätssicherung
Die Zusammenführung der Ertrags- und Verbrauchsdaten umfasste Plausibilitätsprüfungen, den Abgleich unterschiedlicher Zeitauflösungen (viertelstündlich versus stündlich) sowie die Korrektur auffälliger Muster. Unstimmigkeiten, etwa unplausible Ertragsminima zur Mittagszeit, wurden über Vergleichsdaten aus Vorjahren und zusätzliche Referenzreihen behoben.
Ökonomische Bewertung und Speicherszenarien
Die technische Simulation wurde um Preis- und Kostenparameter ergänzt: Modul- und Systemkosten, Strompreisannahmen, Einspeisevergütung sowie Szenarien mit und ohne Batteriespeicher. Im Fokus stand der Eigenverbrauchsanteil als zentrale Stellgröße der Wirtschaftlichkeit und die Frage, in welchen Konstellationen ein Speicher trotz höherer Anfangsinvestition die Rendite verbessert.
Erkenntnisse und Praxisnutzen
Die Analyse weist darauf hin, dass Balkonkraftwerke unter geeigneten Rahmenbedingungen wirtschaftlich vorteilhaft sein können, insbesondere bei hoher zeitlicher Deckung von Erzeugung und Verbrauch. Das entwickelte Tool unterstützt Haushalte dabei, standort- und nutzungsabhängige Parameter transparent zu bewerten und Investitionsentscheidungen belastbar zu treffen.