
Die Eignungsfeststellung begründet keinen Vertrauenstatbestand!
Die Vergabekammer (VK) Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 20.11.2024 – 1 VK 67/24 – folgendes entschieden:
1. Fehlt einem Bieter die Eignung, ist dieser in jeder Phase eines Vergabeverfahrens auszuschließen.
2. Bei festgestellter Eignung kann der Bieter nachträglich Schadensersatz gegen den Auftraggeber geltend machen, jedoch nicht darauf vertrauen, dass er nicht ausgeschlossen wird.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Fassadenarbeiten im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben und forderte zum Eignungsnachweis drei Referenzen aus den vergangenen 5 Jahren. Dem Bewerber A bescheinigte der AG nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs die Eignung und forderte ihn zur Angebotsabgabe auf. A gab darauf das wirtschaftlichste Angebot ab und sollte – laut Vorabinformations-schreiben - den Zuschlag erhalten. Dagegen wandte sich Bieter B mit einem Nachprüfungsverfahren, weil A wegen fehlender Referenzen bereits nicht zur Angebotsabgabe hätte aufgefordert werden dürfen. Der AG half darauf der Rüge des B ab und schloss A wegen fehlender Eignung nachträglich aus. Dagegen wandte sich nun A per Nachprüfungsantrag mit der Argumentation, dass mit seiner Zulassung zum Vergabeverfahren ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei; er hätte darauf vertrauen dürfen, dass seine Eignung nicht erneut bewertet würde.
Die VK gibt hier dem AG Recht. Das Angebot des A sei auszuschließen, weil er den Nachweis der Eignung nicht erbracht habe. Nach § 122 Abs. 1 GWB und § 16 b EU Abs. 1 VOB/A habe der öffentliche Auftraggeber im offenen Verfahren die Eignung der Bieter (anhand der vorgelegten Nachweise) zu prüfen, weil nach § 122 Abs. 1 GWB und § 6 EU Abs. 1 VOB/A nur geeignete Unternehmen für den Zuschlag in Betracht kämen. Geeignet seien die Bieter, wenn sie die in der Bekanntmachung geforderten Kriterien erfüllten. Anhand dieses Maßstabs habe bei der Eignungsprüfung anhand der von A gemachten Angaben die Eignung nicht festgestellt werden können.
Von den Referenzen des A erfülle unstreitig nur eine Referenz die in der Bekanntmachung geforderten Anforderungen im vorgegebenen Referenzzeitraum von 5 Jahren mit bereits erfolgter Abnahme. Soweit A vortrage, er erfülle alle geforderten Anforderungen, jedoch nicht in dem geforderten Zeitraum, bestätige er genau die Einschätzung, dass die anderen Referenzen diese Anforderungen eben nicht erfüllten. Der AG habe dieses Angebot daher grundsätzlich auszuschließen.
Soweit sich A hier auf Vertrauensschutz nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (B. v. 29.03.2021 – Verg 9/21) berufe, sei ihm im Ergebnis nicht zu folgen. Es möge zwar richtig sein, dass bei A persönlich ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden sein könnte, weil er zum Verhandlungsverfahren zugelassen worden sei. Dieses Vertrauen rechtfertige aber allenfalls Schadensersatzansprüche, nicht jedoch eine Fortführung des Verfahrens ohne Rechtsschutz für andere Bieter. Insoweit könne auf eine Entscheidung des OLG München (B. v. 17.09.2015 -Verg 3/15) mit folgendem Leitsatz verwiesen werden:
"Nach Abschluss des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs muss in die Eignungsprüfungen eines Bieters wieder eingetreten werden, wenn die Eignung in dem Teilnahmewettbewerb vergaberechtswidrig bejaht wurde, die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss nicht vorliegen und eine weitere Prüfung, bei der der Vergabestelle ein Ermessens- und Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, erforderlich ist.
Ein Vertrauensschutz mit Bindungswirkung für das Vergabeverfahren sei entgegen § 16 b EU Abs. 3 VOB/A mit höherrangigem Recht nach § 122 Abs. 1 GWB und Art. 29 Abs. 7 Satz 2 der Richtlinie 2014/24/EU nicht vereinbar. Der nicht in einem formellen Gesetz kodifizierte Vertrauensschutz könne insoweit nicht zwingende gesetzliche Vergabevorschriften leerlaufen lassen. Nach § 122 Abs. 1 GWB dürfe der Zuschlag nur an einen entsprechend den vom Auftraggeber vorgegebenen und bekannt gemachten Eignungskriterien geeigneten Bieter vergeben werden.
Auch eine systematische Auslegung des Vergaberechts räume dem Vertrauensschutz grundsätzlich keinen Vorrang vor anderen gesetzlichen Bestimmungen und dem Verfahrensfortgang ein. Es sei vielmehr so, dass auch beim schwerwiegendsten Eingriff in das Verfahren durch den Auftraggeber in Form der Aufhebung des Verfahrens das grundsätzlich schützenswerte Interesse der Bieter an der Zuschlagserteilung und Fortführung des Verfahrens vor dem Interesse des Auftraggebers grundsätzlich zurücktrete und lediglich sekundäre Ansprüche in Form von Schadenersatz bewirke. Für die explizite Mitteilung des Auftragsgebers, den Zuschlag einer bestimmten Firma erteilen zu wollen, sei ebenfalls allgemein anerkannt, dass dieser Vertrauenstatbestand keinerlei Bindungswirkung für das Verfahren entfalte.
Im Ergebnis sei daher der Ausschluss des Angebotes des A wegen fehlender Eignung vergaberechtlich geboten, weil A nach der Eignungsprüfung die Eignungskriterien nicht erfülle.
Anmerkung:
Die damalige Entscheidung des OLG Düsseldorf, auf die sich Bieter A hier beruft, und die einem Bieter nach Abschluss der Eignungsprüfung grundsätzlich Vertrauensschutz zuerkannt hatte, ist in der übrigen Rechtsprechung zu Recht auf großes Unverständnis gestoßen. Wie auch die obige Entscheidung richtig feststellt, ist bekanntlicherweise die VOB/A keine gesetzliche Regelung wie z.B. das GWB oder die VgV. Nach diesen gesetzlichen Regelungen wird das Interesse des Auftraggebers, den Zuschlag einem geeigneten Bieter zu erteilen, schlicht höher bewertet als das Interesse des Bieters. Letztlich gibt es daher ein Vertrauen darauf, dass eine falsche Eignungsprüfung Bestand hat, nicht. Wenn der Auftraggeber nachträglich die fehlende Eignung eines Bieters feststellt und erst recht, wenn er durch den Rechtsschutz eines Dritten darauf aufmerksam wird, ist er gezwungen, einen ungeeigneten Bieter