
Zur Abgrenzung: Ausschreibung mit Leistungsverzeichnis und funktionale Ausschreibung
Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 10.04.2025 – 6 K 4798/21 – folgendes entschieden:
1. Ein Zuwendungsgeber ist zum Widerruf der gewährten Zuwendung berechtigt, wenn ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliegt. Ein derartiger Verstoß liegt bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung vor
2. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters klar ersichtlich ist, welche Leistung der Auftragnehmer zu welcher Zeit, in welchem Umfang und in welcher Qualität zu erbringen hat und welche Anforderungen und Bedingungen an die vom Auftraggeber geforderte Leistung gestellt werden.
3.. Zur Abgrenzung zwischen konstruktiver Leistungsbeschreibung (= Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis) und (teil-)funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm)
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte eine Dienstleistung national ausgeschrieben und erhielt von der Bezirksregierung Fördermittel in Höhe von 1,4 Mio. EUR. Nach Auftrags- vergabe an einen Bieter monierte die Regierung wegen fehlender Auftragsgenauigkeit die Nichteinhaltung des im Fördermittelbescheid geforderten Vergaberechts und forderte den Förderbetrag zurück. Der AG widersprach dem, weil die Leistungen teilfunktional ausgeschrieben worden seien und es gerade zum Wesen einer funktionalen Ausschreibung gehöre, nur ein Leistungsprogramm und nicht konkrete Einzelheiten wie in einem Leistungsverzeichnis vorzugeben. Letztlich klagte der AG gegen die Rückforderung der Fördermittel vor dem Verwaltungsgericht (VG).
Das VG weist die Klage zurück, da der AG die von der Regierung geforderte Auflage, die Bestimmungen der VOB/A einzuhalten, unter dem Aspekt des § 7 VOB/A nicht erfüllt habe. Denn die Leistungsbeschreibung des AG sei zu unbestimmt. Sie erfülle weder die Voraussetzungen einer (teil-)funktionalen Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, § 7c VOB/A) noch die einer konstruktiven Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, § 7 b VOB/A).
Der AG habe hier die Leistungen nicht (teil-)funktional ausgeschrieben. Im Gegensatz zu einer konstruktiven Leistungsbeschreibung sei eine funktionale Leistungsbeschreibung dadurch gekennzeichnet, dass nur Rahmenbedingungen für das Ziel zur Beschaffung etablierter Lösungen vorgegeben würden und der Auftraggeber bestimmte Planungsaufgaben, aber auch Risiken, auf den Bieter verlagere. Typischerweise kombiniere die funktionale Leistungsbeschreibung einen Wettbewerb, der eine Konzeptionierung und Planung der Leistung zum Gegenstand habe, mit der Vergabe der Leistung als solcher und unterscheide sich dadurch vom reinen Wettbewerb um einen klar umrissenen und beschriebenen Auftrag. Dass die Bieter dabei, und zwar u.a. bei der Konzeptionierung und Planung der Leistung, Aufgaben übernehmen sollen, die an sich dem Auftraggeber oblägen, lasse die funktionale Ausschreibung nicht per se unzulässig werden. Deren Wesen liege nämlich gerade darin, dass der Auftraggeber im Planungsbereich auf Bieterseite vorhandenes Knowhow abschöpfen wolle und dies grundsätzlich auch tun dürfe. Ihrem Wesen entsprechend schließe die funktionale Ausschreibung ebenso wenig aus, dass nicht oder nicht genau kalkulierbare und damit riskante Leistungen ausgeschrieben würden. Denn es gebe keinen Rechtssatz, der Bietern oder Auftragnehmern eine Übernahme riskanter Leistungen verbiete. Dass bei funktionaler Ausschreibung von Planungsleistungen Risiken auf den Auftragnehmer übertragen würden, sei für diese Art der Ausschreibung vielmehr typisch und für die Bieter auch zu erkennen.
Gleiches gelte für eine Ausschreibung, die nur teilweise funktionale Elemente enthalte. Denn auch bei einer nur teilfunktionalen Ausschreibung übertrage der Auftraggeber wesentliche Planungsaufgaben, insbesondere die Ausführungsplanung des Architekten und/oder des Ingenieurs, ganz oder größtenteils auf den Bieter und übernehme nur planerische Vorarbeiten wie die Erstellung von Entwürfen selbst. Gegen eine teilfunktionale Ausschreibung bestünden vergaberechtlich keine Bedenken, weil ein in allen Details ausgearbeitetes LV nach § 7b Abs. 1 VOB/A zwar den Regelfall darstelle, andere Formen, das heißt funktionale Leistungsmerkmale, jedoch nicht ausgeschlossen seien. Voraussetzung dafür, dass der AG eine Leistung teilfunktional beschreibe, mithin den Entwurf selbst erstelle und den Auftragnehmer mit der Ausführungsplanung bis zur schlüsselfertigen Errichtung beauftrage, sei, dass diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig erscheine.
Auch wenn an die Zweckmäßigkeitsgründe keine überhöhten Anforderungen gestellt würden, stelle die Wahl einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm einen Ausnahmefall dar, der vom Auftraggeber zu begründen und zu dokumentieren sei. Weder den Akten noch dem Vortrag des AG sei aber zu entnehmen, dass er überhaupt Überlegungen darüber angestellt habe, ob die von ihm behauptete (teil-) funktionale Leistungsbeschreibung in Betracht gezogen worden sei, geschweige denn eingehende und pflichtgemäße Überlegungen im Sinne des § 7c Abs. 1 VOB/A angestellt wurden. Seinen Ausschreibungsunterlagen lasse sich nicht ansatzweise eine Dokumentation des Abwägungsprozesses mit Zweckmäßigkeits-gesichtspunkten entnehmen.
Nach den vorstehenden Maßstäben habe der AG eine konstruktive Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit LV) und keine teilfunktionale Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm) verfasst. Da die Ausschreibung keine dem Wettbewerb unterstellten Planungsleistungen enthalten habe, sei sie an den Anforderungen an eine konstruktive Leistungsbeschreibung zu messen (§ 7b VOB/A) Danach sei die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen könnten (siehe Tenor 2). Diesen Anforderungen habe die Leistungsbeschreibung des AG nicht genügt, weshalb der Widerruf des Fördermittelbescheides zu Recht erfolgt sei.
Anmerkung:
Hier hat deshalb ein VG entschieden, da es um den Widerruf eines (verwaltungsrechtlichen) Fördermittelbescheides ging. Gleichwohl sind die Ausführungen zur Abgrenzung der Leistungsbeschreibung mit LV (Regelfall) zur funktionalen Ausschreibung (Ausnahme) auch für die Vergabe von Bauleistungen gültig und verbindlich.
Des Weiteren zeigt die Entscheidung einmal mehr, dass speziell bei Vorhaben, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, regelmäßig zwingend Vergaberecht zu beachten ist – nicht zuletzt um nicht Gefahr zu laufen, dass die Finanzierung des Projekts scheitert.