Mündlicher Bedenkenhinweis: Keine vollständige Enthaftung!

Mündlicher Bedenkenhinweis: Keine vollständige Enthaftung!

Mündlicher Bedenkenhinweis: Keine vollständige Enthaftung!

  • Vergaberecht & Baurecht
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Ein Bedenkenhinweis, der die vereinbarte Form nicht einhält, führt zwar nicht zur Enthaftung des Auftragnehmers wegen planungsbedingter Baumängel. Setzt sich der Auftraggeber jedoch über einen mündlichen Bedenkenhinweis hinweg, kann dies ein anspruchsminderndes Mitverschulden begründen. Dies hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 12.12.24 (Az.: 5 U 103/23) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN als Generalunternehmer mit der Errichtung eines Büro-gebäudes unter Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag. Nach einigen Jahren kommt es zu massiven Schäden am Dach. AG fordert AN zur Mängelbeseitigung auf, die AN ablehnt. Daraufhin lässt AG die Arbeiten durch ein Drittunternehmen aus-führen und verlangt von AN die aufgewendeten Ersatzvornahmekosten in Höhe von rund 1,1 Mio. EUR. AN verteidigt sich damit, er habe bei AG mündlich Bedenken ge-gen die Art der Ausführung des Daches angemeldet. Diese habe AG jedoch igno-riert. AG bestreitet den mündlichen Bedenkenhinweis nicht, moniert jedoch unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 VOB/B, dass dieser nicht schriftlich erfolgt ist. Im Übrigen ha-be AN für einen solchen Bedenkenhinweis auch ein von AG vorgegebenes Formblatt zu verwenden gehabt.

Das Urteil: Das OLG Düsseldorf stellt zunächst einmal die Mangelhaftigkeit des Da-ches fest. AN habe diese Mängel auch nicht beseitigt, obwohl ihn AG bei Setzung einer angemessenen Frist hierzu schriftlich aufgefordert hatte. Eine Enthaftung ge-mäß § 4 Abs. 3 VOB/B wegen des mündlich erfolgten Bedenkenhinweises komme nicht in Betracht, weil es an der in § 4 Abs. 3 VOB/B geforderten Schriftform fehle. Allerdings müsse sich AG ein Mitverschulden - hier in Höhe von 25 % - anrechnen lassen. Eine volle Anrechnung des Mitverschuldens komme nur in Betracht, wenn AN einen vollständigen, klaren und schriftlichen Bedenkenhinweis erteilt hat, was hier nur eingeschränkt geschehen war. Das Mitverschulden des AG sei deshalb angemes-sen, weil er trotz der von AN geäußerten Bedenken die Ausführung des Daches in der ursprünglich vorgesehenen Form angeordnet hat.

Fazit: Die Frage, inwieweit auch ein mündlicher oder ein Bedenkenhinweis in Text-form (E-Mail) bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag zu einer Enthaftung des Unternehmers führt, ist durchaus umstritten. So hat etwa das OLG Schleswig und auch das OLG Hamburg entschieden, dass auch im VOB-Vertrag ein mündlicher Bedenkenhinweis ausreichend sei und dazu führe, dass AN von der Haftung frei werde. (OLG Schleswig, 12 U 8/18; OLG Hamburg, 9 U 47/10). Stets muss aller-dings ein solcher Bedenkenhinweis inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sein und damit dem AG die Gefahren aufzeigen, die er mit Blick auf den geschuldeten Werkerfolg eingeht, wenn er bei seinen fehlerhaften Vorgaben bleibt. Im vorliegen-den Fall sieht das OLG Düsseldorf das anders und geht lediglich von einem Mitver-schulden des Auftraggebers aus. Daraus folgt für den Bauunternehmer, dass er Be-denkenhinweise stets schriftlich oder - sofern es sich nicht um einen VOB/B-Vertrag handelt - auch in Textform (E-Mail) erteilt. Dies ist schon aus Beweisgründen zwin-gend zu empfehlen: Zum einen wird sich der Bauherr in aller Regel an einen münd-lich erteilten Bedenkenhinweis nicht mehr erinnern, zum anderen trifft AN auch die Beweislast dafür, dass der Bedenkenhinweis "richtig", also verständlich, klar und er-schöpfend ist. Dies wird sich bei einem nur mündlichen Bedenkenhinweis selten be-weisen lassen.