Fremdreferenzen als Eigenreferenzen?

Fremdreferenzen als Eigenreferenzen?

Fremdreferenzen als Eigenreferenzen?

  • Vergaberecht & Baurecht
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Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 23.04.2025 - VK 1-18/25 – u.a. folgendes entschieden:
1. Beabsichtigt der Bieter, für die Auftragsausführung Ressourcen Dritter in Anspruch zu nehmen, muss er eine Verpflichtungserklärung des Dritten vorlegen, andernfalls die Eignung zu verneinen ist. 
2. Referenzen eines anderen Unternehmens können einem Bieter grundsätzlich (nur) dann als Eigenreferenzen zugerechnet werden, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und wenn die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen mit übergegangen sind. 

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Sicherheitsdienstleistungen im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In den Eignungsanforderungen forderte er neben dem Nachweis von Referenzen u.a. auch verschiedene Zertifikationen, speziell eine Zertifizierung über die Anerkennung von Qualitätsmanagementsystemen nach DIN EN ISO 9001 sowie über das Vorhandensein einer Notrufzentrale nach DIN 50518 oder einer staatlich anerkannten vergleichbaren Zertifizierung. Überdies mussten dem AG "spätestens vor Auftragserteilung" entsprechende Verpflichtungserklärungen Dritter vorgelegt werden. Bieter A und B gaben Angebote ab. Nachdem der AG mitteilt hatte, dass B den Zuschlag erhalten sollte, rügte A u.a., dass B - mangels vergleichbarer Referenzaufträge - nicht geeignet sei, da dieser erst 2021 gegründet worden sei. Da der AG der Rüge nicht abhalf, beantragte A die Nachprüfung.
Die VK gibt Bieter A Recht, da der AG die Eignung des B zu Unrecht bejaht habe. Das von B vorgelegte DIN EN ISO 9001-Zertifikat habe der AG zwar zu Recht akzeptiert. B habe insoweit die Bescheinigung einer Zertifizierungsstelle vorgelegt, in der bestätigt werde, dass die Anforderungen der DIN EN ISO 9001 erfüllt seien. Diese Bescheinigung umfasse ausdrücklich mehrere weitere, im Anhang genannte Unternehmen; da B in diesem Anhang ebenfalls aufgeführt sei, habe er das geforderte QM - Managementsystem nach DIN EN ISO 9001 nachgewiesen.
Nach der Ausschreibung hätten die Bieter auch den Nachweis über das Vorhandensein einer anerkannten Notrufzentrale nach DIN EN 50518 oder vergleichbar vorlegen müssen. Allerdings habe der AG das auf das Drittunternehmen (….) ausgestellte Zertifikat nach DIN EN 50518 nicht ohne Weiteres zugunsten des B anerkennen dürfen. B habe zwar in seinem Konzept zur Ablauforganisation auf die Strukturen dieses Drittunternehmens hingewiesen, auf dessen Ressourcen er im Bedarfsfall zurückgreifen könne. Damit jedoch gegenüber dem AG hinreichend sichergestellt sei, dass dem betreffenden Bieter bzw. künftigen Auftragnehmer die erforderlichen Mittel tatsächlich so zur Verfügung stehen würden, dass er auf diese Ressourcen des Dritten wie auf eigene zugreifen könne, müsse er eine entsprechende Verpflichtungserklärung des Dritten vorlegen (vgl. § 47 Abs. 1 S. 1 VgV, § 36 Abs. 1 S. 2 VgV; siehe OLG Düsseldorf, B. v. 8.03. 2023 -Verg 25/22). Dies habe der AG in den Vergabeunterlagen auch so gefordert. Eine solche Verpflichtungserklärung Dritter sei in einem Fall wie hier vergaberechtlich erforderlich, in dem B die geforderte Notrufzentrale betreiben solle. 
B hätte daher den im Zusammenhang mit der Notrufzentrale geforderten Nachweis erst dann erbracht, wenn er eine Verpflichtungserklärung der [...] vorgelegt hätte. Ohne diese Verpflichtungserklärung habe mithin der AG zu Unrecht die Eignung des B bejaht.
Des Weiteren ergebe sich aus dem Angebot des B, dass er auch für weitere Aufgaben (administrativer Art sowie für Schulungen) andere Unternehmen [...] einsetzen wollte. Jedenfalls ohne entsprechende Verpflichtungserklärungen dieser Unternehmen hätte der AG das Angebot des B auch insoweit nicht als vollständig bewerten dürfen.
Soweit aus der Vergabeakte erkennbar, habe sich der AG bisher auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich B – wie von ihm behauptet - vergaberechtlich allein schon deshalb auf die Fremdreferenzen [...] hätte berufen dürfen, weil er einige Führungsmitarbeiter dieses Unternehmens übernommen haben wolle.
Referenzen eines anderen Unternehmens könnten einem Bieter nämlich in der Regel (nur) dann als Eigenreferenzen zugerechnet werden, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben sei und wenn die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen mit übergegangen seien. Denn an einer Unternehmensleistung hätten regelmäßig auch die Unternehmensleitung, die gesamte Betriebsorganisation sowie die Struktur des Unternehmens einen maßgeblichen Anteil (siehe OLG Düsseldorf, B. vom 13.11.2024 - Verg 15/24). Etwas anderes könne gelten, wenn und soweit die Betriebsmittel und die Betriebsstrukturen für die referenzierte Leistung ohne Bedeutung seien. In so einem Fall reiche es möglicherweise aus, wenn allein die mit dem Referenzauftrag befassten Mitarbeiter auf das andere Unternehmen übergegangen seien (vgl. VK Bund, B. v.  27. 01. 2022 - VK 2137/21). Bereits diese Feststellung - ob die von ihm für den streitgegenständlichen Auftrag geforderten Erfahrungen bereits durch die Erfahrungen der von B für bestimmte Führungspositionen vorgesehenen Mitarbeiter hinreichend belegt würden oder ob dazu ebenfalls auf die Betriebsorganisation und Struktur des Unternehmens abzustellen sei – habe der AG nicht getroffen. Da einem öffentlichen Auftraggeber selbst die Einschätzungsprärogative zusteht, welche Eignungsanforderungen er zur ordnungsgemäßen Erfüllung des von ihm ausgeschriebenen Auftrags aufstelle (Leistungsbestimmungsrecht), könnten diese Feststellungen nicht an seiner Stelle von der Vergabekammer getroffen werden. Die Eignungsprüfung des AG sei daher auch aus diesem Grunde vergabefehlerhaft.


Anmerkung:

Anders als bei der Vergabe unterhalb der europäischen Schwellenwerte ist oberhalb dieser Schwellenwerte ein Selbstausführungsgebot vergaberechtlich unzulässig. Im Rahmen der Eignungsprüfung hat daher der Bieter nachzuweisen, dass er (frühere) Referenzleistungen selbst erbracht hat. Verweist er dagegen im Rahmen der vergaberechtlich zulässigen sog. Eignungsleihe auf Referenzen Dritter, muss er idealiter bereits beim Nachweis seiner Eignung eine verbindliche Erklärung dieses Dritten vorlegen, in der sich dieser verpflichtet, im Auftragsfalle die Leistung tatsächlich auszuführen. Hat der Bieter z.B. ein Unternehmen übernommen, kann er sich auf die Referenzen des übernommenen Unternehmens nur dann beziehen, wenn das für die entsprechende Referenz notwendige Know-how mit übergegangen ist (siehe Tenor 2).