Fraunhofer IBP erforscht Privatheit am Büroarbeitsplatz
Offene Raumkonzepte sollen Kommunikation und Flexibilität fördern, führen jedoch häufig zu Stress, Ablenkung und einem Verlust an Privatsphäre. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) widmet sich mit dem Forschungsprojekt „Nachhaltige akustische und visuelle Privatheit am Büroarbeitsplatz“ dieser Herausforderung. Ziel ist es, bereits in der frühen Planungsphase von Bürogebäuden gezielt Lösungen zu entwickeln, die akustische und visuelle Rückzugsräume schaffen. Gefördert wird das Projekt im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Das Team untersucht, wie eine ausgewogene Balance zwischen Offenheit und Privatheit die Konzentration, Gesundheit und Zufriedenheit von Beschäftigten steigern kann. Der Verlust an Rückzugsmöglichkeiten zählt zu den häufigsten Kritikpunkten offener Büros – ein Problem, das mit durchdachter Planung und wissenschaftlich fundierten Gestaltungskriterien lösbar ist.
Ein wissenschaftlicher Index für Privatheit am Arbeitsplatz
Um objektive Grundlagen für Architektinnen, Planende und Unternehmen zu schaffen, arbeitet das Fraunhofer-Team an einem sogenannten Privatheitsindex. Dieser erfasst erstmals die Wechselwirkungen zwischen visueller und akustischer Wahrnehmung in verschiedenen Büroszenarien. Der Index soll künftig als praxisnahes Planungswerkzeug dienen und wird durch einen digitalen Leitfaden ergänzt, der konkrete Handlungsempfehlungen für Neubauten und Sanierungen liefert. Grundlage der Forschung bilden umfangreiche Befragungen und reale Tests im „Synergy-Space“ des Fraunhofer IBP. Dort werden unterschiedliche Arbeitsplatzsituationen – von Telefonaten über konzentrierte Textarbeit bis hin zu kreativen Gruppenaufgaben – unter kontrollierten Bedingungen untersucht. Dabei fließen sowohl subjektive Bewertungen der Teilnehmenden als auch bauphysikalische Messungen zu Akustik, Beleuchtung und Raumgestaltung in die Analyse ein.
Von Pflanzenwand bis Kombibüro – praxisnahe Erkenntnisse für gesunde Arbeitswelten
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Kombination aus Einzelarbeitsplätzen und gemeinschaftlich genutzten Bereichen – sogenannte Kombibüros – die besten Voraussetzungen für konzentriertes Arbeiten bietet. Ergänzende Rückzugszonen, akustische Trennwände und biophile Gestaltungselemente wie Pflanzenwände verbessern das Wohlbefinden deutlich. Biophilic Design, also die Integration natürlicher Materialien und Begrünung, wirkt positiv auf das Stressempfinden und die Produktivität. Der Forschungsansatz verdeutlicht, dass Privatheit ein wesentlicher Bestandteil gesunder und nachhaltiger Büroarchitektur ist. Sie fördert Konzentration und Zufriedenheit, senkt Stress und wirkt sich langfristig positiv auf Gesundheit, Wirtschaftlichkeit und ökologische Ressourcennutzung aus. Unternehmen profitieren dabei nicht nur durch höhere Effizienz, sondern auch durch geringere Fluktuation und eine stärkere Bindung von Fachkräften.