Der Bau-Turbo allein reicht nicht

Der Bau-Turbo allein reicht nicht

Der Bau-Turbo allein reicht nicht

  • Politik
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Mehr Geld, weniger Bürokratie, schnellere Verfahren – sie schaffen die Voraussetzungen, aber noch keinen Wohnraum. Entscheidend für den Erfolg des sogenannten Bau-Turbos ist seine Verknüpfung mit Innovation. Das wurde auf dem Wohnkongress „Stadt. Land. Wohnraum?“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin deutlich, an dem Neues Bauen – 80 Sekunden als Partner beteiligt war.
Die zentrale Botschaft: Nur wenn digitale Technologien, neue Materialien und serielle Bauverfahren konsequent in die Praxis gebracht werden, kann der politische Anspruch einer Bauwende in gebaute Realität übergehen. Förderungen und Verwaltungserleichterungen reichen nicht aus – sie müssen mit technologischem Fortschritt verknüpft werden, um tatsächlich Wirkung zu entfalten.

Digitale Grundlagen für schnellere Planung und Umsetzung

Wie sich Bauprozesse durch datenbasierte Planung beschleunigen lassen, zeigten die Unternehmen Madaster und Syte. Madaster nutzt digitale Materialpässe, die Gebäude als Rohstoffspeicher erfassen und so den Wert zirkulärer Bauweisen sichtbar machen. Syte kombiniert Kataster-, Energie- und Bebauungsdaten auf einer KI-gestützten Plattform, die Potenziale, Restriktionen und Genehmigungsoptionen in Echtzeit abbildet.
Solche digitalen Werkzeuge können laut Syte bis zu 2,7 Millionen Wohnungen aktivieren, die für Sanierungen oder Nachverdichtungen geeignet sind, und so bis zu 50 Millionen Tonnen CO₂ einsparen – allein durch präzisere Planungsentscheidungen und besser vernetzte Datenstrukturen.

Innovation entsteht im Zusammenspiel von Technik, Material und Prozess

Fortschritt am Bau basiert auf der Verbindung von technologischem Know-how, industrieller Fertigung und planerischer Innovation. GOLDBECK etwa demonstrierte, wie modulare Systeme und digitale Steuerung Bauzeiten verkürzen und gleichzeitig Qualität sichern können – bei Baukosten von rund 2.000 Euro pro Quadratmeter und der Perspektive CO₂-neutraler Betonfertigteile bis 2030.
Auch andere Akteure zeigen Wege zu effizienterem und nachhaltigerem Bauen:
●    Mitsubishi Electric setzt mit dezentralen Luft-Luft-Wärmepumpen auf eine sofort skalierbare Lösung für den Gebäudebestand.

●    Stramen.tec fertigt Strohmodule, die CO₂ speichern, vollständig recyclingfähig sind und im System StroHab+ innerhalb von acht Wochen montiert werden können – jedes Gebäude spart dadurch bis zu 21 Tonnen CO₂ pro Jahr.

●    Heidelberg Materials arbeitet an CO₂-armen Bindemitteln und Carbon-Capture-Technologien, um den Ausstoß von Zement auf rund 400 Kilogramm CO₂ pro Tonne zu senken.

Diese Beispiele zeigen: Der Wandel zur klimaneutralen Bauwirtschaft ist technologisch machbar – wenn Innovation systematisch gefördert und in die Praxis integriert wird.

Strukturelle Voraussetzungen für eine Bauwende

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Birgit Guhse (Arcadis Deutschland) braucht die Branche mehr Mut, alte Strukturen zu hinterfragen. Innovation gelinge nur, wenn Planung, Bau und Betrieb als vernetztes System verstanden werden: durch Kooperation, Wissensaustausch und gemeinsames Lernen.

Vom Pilotprojekt in die Fläche

Der Wohnkongress machte deutlich, dass es nicht an Ideen fehlt, sondern an ihrer Umsetzung im Alltag. Digitale Planungswerkzeuge, serielle Bauprozesse und materialeffiziente Konzepte existieren – sie müssen nun breit angewendet und politisch unterstützt werden.
Nur wenn technologischer Fortschritt, gesellschaftlicher Wille und Gestaltungsfreiheit zusammenkommen, kann der Bau-Turbo tatsächlich Wirkung entfalten. Innovation muss zur gelebten Realität auf jeder Baustelle werden – als Basis einer zukunftsfähigen, wirtschaftlichen und klimafreundlichen Baukultur.