Arbeitseinstellung zur Nachtragsdurchsetzung: Kündigungsgrund!

Arbeitseinstellung zur Nachtragsdurchsetzung: Kündigungsgrund!

Arbeitseinstellung zur Nachtragsdurchsetzung: Kündigungsgrund!

  • Vergaberecht & Baurecht
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Eine unberechtigte Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags kann eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht darstellen und daher eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Das hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 05.04.2023 (Az.: 15 U 101/22) entschieden. Der BGH hat mit Beschluss vom 13.03.2024 (Az.: VII ZR 94/23) die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Der Fall: AG beauftragt AN als Generalunternehmer mit der Durchführung von Bauarbeiten. Nachdem AG die 11. Abschlagsrechnung des AN, die auch streitige Nachträge beinhaltete, nicht bezahlt hatte, mahnte AN erfolglos und stellte nach entsprechender Androhung die Arbeiten ein. AG forderte ihn zur Wiederaufnahme der Arbeiten unter Fristsetzung auf und behielt sich die Kündigung vor. Nachdem AN die Arbeiten nicht wieder aufnahm, kündigt AG den Vertrag mit der Maßgabe, die Kündigung erfolge "ausschließlich aus wichtigem Grund".

Das Urteil: Das OLG Karlsruhe hält die fristlose Kündigung des AG für berechtigt. Im Vertrag waren nämlich für Streitigkeiten über Nachträge eine ganz bestimmte Verfahrensweise, namentlich ein Schiedsgutachten und die Geltendmachung der Nachträge mit der Schlussrechnung vorgesehen. An dieses Prozedere hatte sich AN nicht gehalten, sondern stattdessen anlässlich der offenen Abschlagsrechnungen mit Arbeitseinstellung gedroht, was ihm nach dem Vertrag ausdrücklich untersagt war. Indem er das vertraglich vorgesehene Prozedere ignorierte, verstieß AN die baurechtliche Kooperationspflicht, deswegen war eine außerordentliche Kündigung des AG gerechtfertigt.

Fazit: Dass die bloße Nichtzahlung streitiger Nachträge den AN nicht zur Arbeitseinstellung berechtigt und dass ein solches Verhalten den AG seinerseits zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, entspricht ständiger Rechtsprechung. Die Tatsache, dass AG seine Kündigung ausdrücklich nur "aus wichtigem Grund" ausgesprochen hat, wirkt sich im vorliegenden Fall nicht aus, da dem AG nach Auffassung des Gerichts ein wichtiger Grund für eine Kündigung - der Verstoß gegen die baurechtliche Kooperationspflicht - zur Seite stand. Was aber gilt, wenn AG dies nicht ausdrücklich erklärt? Dann ist nach ständiger Rechtsprechung eine Kündigung, für die es an einem wichtigen Grund fehlt, als sogenannte "freie" Kündigung auszulegen. Hier aber hatte AG ausdrücklich erklärt, eine freie Kündigung wolle er nicht, er kündige ausschließlich aus wichtigem Grund. Das Urteil befasst sich hier - da ein wichtiger Grund vorlag - nicht mit der weiteren Frage, was zu gelten hat, wenn AG zwar "ausschließlich aus wichtigem Grund" kündigt, ihm ein solcher wichtiger Grund aber nicht zur Seite steht. Folgt man dieser Logik, so müsste der Vertrag dann eigentlich mangels einer Kündigung fortbestehen. Ob dies allerdings ein interessengerechtes Ergebnis ist, kann man bezweifeln, denn es ist kaum vorstellbar, dass die Parteien das Vertragsverhältnis fortsetzen wollen, wenn - unter Umständen nach mehreren Jahren - ein Gericht feststellt, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht vorlag. Zudem könnte der Kündigende quasi risikolos eine Kündigung aus wichtigem Grund versuchen und die Fortsetzung des Vertrages verlangen, wenn er damit scheitert.