Zum korrekten Preisaufklärungsverlangen des Auftraggebers
Die Vergabekammer (VK) Nordbayern hat mit Beschluss vom 28.07.2025 - RMF-SG21-3194-10-28- u.a. folgendes entschieden:
1. Erscheint aufgrund des Preisabstands zu den Konkurrenzangeboten, der Kostenschätzung oder den Erfahrungswerten des öffentlichen Auftraggebers ein Angebot ungewöhnlich niedrig, muss der Auftraggeber in eine Aufklärung über den Preis eintreten.
2. Es obliegt dem Auftraggeber, durch gezielte positions- bzw. titelbezogene Anfragen dem Bieter die Gelegenheit zur Aufklärung dieser Positionen zu geben.
3. Eine lediglich pauschale Aufforderung, die Auskömmlichkeit der Kalkulation zu bestätigen, genügt nicht den Erfordernissen einer sachgerechten Aufklärung und rechtfertigt keinen Ausschluss vom Vergabeverfahren, wenn der Bieter eine solche Erklärung nicht abgibt.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen Bauauftrag im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Zum Submissionstermin hatten 3 Bieter fristgerecht ein Angebot abgegeben. Bieter A gab unter Berücksichtigung eines Nachlasses das günstigste Angebot ab; das Angebot von Bieter B war ca. 6 % teurer als das des A, der Abstand des Drittplatzierten zu A betrug ca. 12 %. Der AG forderte darauf von Bieter A insgesamt zweimal die Vorlage weiterer Unterlagen zur Angebotsaufklärung; in beiden Aufklärungsschreiben bat er um ausdrückliche Bestätigung der Auskömmlichkeit des Angebotspreises. A legte alle geforderten Unterlagen fristgerecht vor, eine Bestätigung der Auskömmlichkeit des Preises jedoch nicht. Mit Bieterinformationsschreiben gemäß § 134 GWB teilte der AG dem A mit, den Zuschlag auf das Angebot des B zu erteilen. Das Angebot des A sei nicht in die engere Wahl gekommen, weil der Preis unangemessen niedrig sei. Im Rahmen der Erläuterung des Absageschreibens teilte der AG dem A ergänzend mit, dass keine Bestätigung der Auskömmlichkeit des Angebotes erfolgt sei, trotz zweimaliger Aufforderung. Nach erfolgloser Rüge beantragte A die Nachprüfung.
Die VK gibt Bieter A Recht; die Ablehnung des Angebotes des A sei vergaberechtswidrig und verletze den A in seinen Rechten.
Erscheine aufgrund des Preisabstands zu den Konkurrenzangeboten, der Kostenschätzung oder den Erfahrungswerten des Auftraggebers ein Angebot ungewöhnlich niedrig, müsse der Auftraggeber in eine Aufklärung über den Preis eintreten. Somit sei dem AG grundsätzlich zuzustimmen, dass er eine Preisaufklärung verlangen durfte, da das Angebot des A erheblich unter seiner Kostenschätzung gelegen habe. Ob im konkreten Fall eine Preisaufklärung zwingend notwendig gewesen sei, habe der AG noch einmal kritisch zu prüfen, denn die Preisabstände der Angebote der ersten drei Bieter hätten unter der Aufgreifschwelle gelegen (20% zwischen Erst- und Zweitplatzierten Angebot). Somit wäre der AG in einem ersten Schritt verpflichtet gewesen, seine Kostenschätzung, insbesondere sein bepreistes Leistungsverzeichnis mit den Angeboten der ersten drei Bieter kritisch zu vergleichen. Möglicherweise habe seine Kostenschätzung auf falschen Annahmen beruht.
Nachdem hier der AG mehrere Unterlagen von A nachgefordert habe, hätte er in Textform eine vertiefende Aufklärung von A verlangen können, wenn der AG zum Ergebnis gekommen wäre, dass seine Kostenschätzung weiterhin zutreffend sei (§ 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A). Dabei obliege es dem Auftraggeber, durch gezielte positions- bzw. titelbezogene Anfragen dem Bieter die Gelegenheit zur Aufklärung dieser Positionen zu geben. Eine lediglich pauschale Aufforderung zur Erklärung der Kalkulation genüge dabei nicht den Erfordernissen einer sachgerechten Aufklärung. Ohne konkrete Anfragen sei der Bieter, der sein Angebot unter Ausnutzung der ihm zustehenden Kalkulationsfreiheit erstellt habe, nicht in der Lage, die betreffenden Positionen oder Titel zu erkennen und entsprechende Erklärungen abzugeben. Sinn dieser Vorschrift sei es, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er zur auftragsgerechten und gesetzeskonformen Leistungserbringung in der Lage sei. Die in der Praxis immer wieder zu findende Anforderung einer allgemeinen Eigenerklärung vom Bieter im Rahmen der Preisprüfung, dass sein Angebot auskömmlich kalkuliert sei o. ä., sei daher sinnlos.
Die Verpflichtung zur Preisaufklärung für unangemessen niedrig erscheinende Angebote nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A finde ihre Grundlage in Art 6 der EU-Vergaberichtlinie (RL 2014/24/EU). Dort sei eindeutig geregelt, dass der öffentliche Auftraggeber nach Rücksprache mit dem Bieter die beigebrachten Informationen zu bewerten habe. Die Bestätigung eines Bieters, dass sein Preis auskömmlich sei, sei daher keine ordnungsgemäße Preisaufklärung und könne daher vergaberechtlich nicht zu einem Ausschluss führen, wenn der Bieter eine solche Erklärung nicht abgebe. Denn das Verlangen einer Bestätigung der Auskömmlichkeit sei kein geeignetes Instrument der Preisaufklärung. Ein Ausschluss eines Angebotes, weil diese Erklärung nicht abgegeben worden sei, könne darauf nicht gestützt werden.
Auch ein Ausschluss nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A sei vergaberechtswidrig, denn in den Vergabeunterlagen habe sich der AG nicht vorbehalten, diese Erklärung nachzufordern. Wie ausgeführt, sei die Forderung, eine solche Bestätigung der Auskömmlichkeit abzugeben, auch kein geeignetes Instrument der Aufklärung eines Angebotspreises. Auch ein Ausschluss nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A sei rechtlich nicht zulässig, da eine solche Erklärung nicht bereits mit dem Angebot abzugeben gewesen sei.
Im Ergebnis stehe es dem AG frei, weiter durch gezielte Fragen den Preis bei A aufzuklären. Für zwingend notwendig erachte die VK dies im konkreten Fall nicht, wenn der AG zum Ergebnis komme, dass seine Kostenschätzung zu hoch angesetzt und die Angebote der ersten drei Bieter marktgerecht und auskömmlich seien; er habe insoweit sein Ergebnis in der Vergabeakte zu dokumentieren.
Anmerkung:
Wie die Entscheidung eindrucksvoll zeigt, ist die bei öffentlichen Auftraggebern nach wie vor beliebte und immer wieder von den Bietern geforderte ausdrückliche und pauschale Bestätigung, dass der ausgewiesene Angebotspreis auskömmlich sei, doch ziemlich sinnlos. Denn der Bieter braucht diese nicht abzugeben – und ein Ausschluss des Angebotes kann auf deren Fehlen auch nicht gestützt werden. Des Weiteren gibt die Entscheidung wertvolle Hinweise, wie eine Preisaufklärung gemäß § 15 EU VOB/A korrekt und ordnungsgemäß durchzuführen ist.