Nicht ausgeschriebene Bauweise angeboten: Ausschluss!

Nicht ausgeschriebene Bauweise angeboten: Ausschluss!

Nicht ausgeschriebene Bauweise angeboten: Ausschluss!

  • Vergaberecht & Baurecht
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Die Vergabekammer (VK) Saarland hat mit Beschluss vom 18.11.2024 – 3 VK 03/24 – folgendes entschieden:
1. Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Bieter etwas Anderes anbietet, als der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts verlangt und das Angebot dem vom Auftraggeber nachgefragten Gegenstand nicht entspricht.
2. Schreibt ein Auftraggeber eine Stahl-Modulbauweise aus, stellt ein angebotenes Bausystem aus Stahlbetonfertigteilen aufgrund des Verbunds der Werkstoffe von Beton und Stahl auch bei einer integrierten Stahlkonstruktion keine Stahl-Modulbauweise dar, sondern ist als ein Aliud zu klassifizieren
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Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die schlüsselfertige Errichtung eines Kindergartens in Modulbauweise gemäß Baugenehmigung mit hohem Vorfertigungsgrad in Stahlbauweise europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Vergabeunterlagen wurden per Downloadlink zur Verfügung gestellt. In den Auftragsunterlagen hatte der AG an mehreren Stellen eine Beschreibung des angebotenen Systems mit Angebotsabgabe gefordert und ausgeführt, dass das angebotene System Vertragsbestandteil werde und eine Nichtvorlage zum Ausschluss führe. Des Weiteren enthielten die Vergabeunterlagen an verschiedenen Stellen der Leistungsbeschreibung genaue Angaben dazu, wie der Ausbau zu erfolgen habe. Bieter A bot darauf ein System an, das auf Stahlbetonfertigelementen beruhte. Dabei werden die Elemente aus Stahlbeton in seinen Werken vorgefertigt und auf der Baustelle montiert. Der AG schloss das Angebot aus, da dieses System nicht der geforderten Konstruktion in raumbildender Stahlmodulbauweise mit raumabschließender Füllung in Trockenbaukonstruktion entspräche. Nach erfolgloser Rüge beantragte A Nachprüfung.
Die VK weist den Antrag als unbegründet zurück und gibt dem AG Recht, da das Angebot des A unzulässige Änderungen enthalte. Nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A seien Angebote, die den Bestimmungen nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 VOB/A nicht entsprächen, auszuschließen. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A besage, dass das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen sei und Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig seien. Eine Änderung der Vergabeunterlagen sei dann anzunehmen, wenn der Bieter etwas Anderes anbiete, als der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts verlange, und das Angebot dem vom Auftraggeber nachgefragten Gegenstand nicht entspreche. Dabei werde von der Rechtsprechung teilweise ein manipulativer Eingriff durch Streichungen, Einfügen o. ä. vorausgesetzt; danach liege eine Änderung der Vergabeunterlagen dann vor, wenn der Bieter manipulativ in sie eingreife, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot mache, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibe. 
Unter Berücksichtigung des Leistungsbestimmungsrechts des AG und der Wettbewerbsgewährleistung, die die Vergleichbarkeit der Angebote voraussetze, sei der Begriff der Änderung der Vergabeunterlagen jedoch weit zu verstehen und jede Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen als Änderung anzusehen. Dabei müsse die Änderung sich nicht zwingend daraus ergeben, dass in den Vergabeunterlagen Änderungen vorgenommen würden, sondern sie könne sich auch daraus ergeben, dass das Angebot den Ausschreibungsgegenstand inhaltlich - abweichend vom geforderten Auftragsgegenstand - modifiziere. Eine nachträgliche Korrektur, auch im Zusammenhang mit Aufklärung des Angebots sei nicht möglich, da es sich insoweit um unzulässige Nachverhandlungen bzw. Änderungen des Angebots handeln würde.
Beim konkreten Vergleich zwischen Angebot und Vergabeunterlagen sei nicht allein die Auftragsbekanntmachung, sondern es seien die ausdrücklich in der Bekanntmachung in Bezug genommene und in den Vergabeunterlagen enthaltene Baugenehmigung sowie die funktionale Leistungsbeschreibung zugrunde zu legen, die den Auftragsgegenstand im Rahmen des § 121 GWB konkretisiere. Für das Verständnis der Vergabeunterlagen komme es dabei nicht auf das konkrete Verständnis des einzelnen Bieters, sondern auf ein objektives Verständnis, also darauf an, wie ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises die Leistungsbeschreibung habe verstehen dürfen.
Daher sei auszulegen, was der AG gefordert habe und wie ein durchschnittlicher Bieter der angesprochenen Fachkreise die konkrete Anforderung der Leistungsbeschreibung verstehen durfte. Bei einer Auslegung nach dem verobjektivierenden Empfängerhorizont entsprechend §§ 133, 157 BGB gehe hier aus dem Wortlaut der Ausschreibung hervor, dass der AG explizit unter Bezugnahme auf die Baugenehmigung ein dauerhaftes Modulgebäude in Stahlbauweise verlange. Die in der Ausschreibung in Bezug genommenen und verlinkten Vergabeunterlagen ergänzten den Ausschreibungstext in zulässiger Weise. Der Einwand des A , Inhalte der Leistungsbeschreibung seien nicht hinreichend bekannt gemacht und maßgeblich sei lediglich die Formulierung in der Bekanntmachung der Ausschreibung, gehe insoweit fehl. Maßgeblich für die Bewertung, ob eine Abweichung von Vergabeunterlagen und Angebot vorliege, seien die gesamten Vergabeunterlagen, auf die die Bieter unmittelbaren Zugriff hätten nehmen können.

Vorliegend komme es darauf an, ob ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises mit dem dort gewählten Begriff eines "Modulgebäudes in Stahlbauweise" auch die Herstellung des Gebäudes aus modular gefertigten Wand- und Deckenscheiben aus Stahlbeton verstehen durfte. Letzteres sei hier jedoch unter Berücksichtigung des Ausschreibungstextes in Verbindung mit der Baugenehmigung und der Leistungsbeschreibung eindeutig zu verneinen. Daher entspreche das Angebot des A im Hinblick auf die angebotene modulare Bauweise im firmeneigenen System aus Stahlbetonfertigteilen nicht den in den Vergabeunterlagen konkretisierten Vorgaben der funktionalen Leistungsbeschreibung, sondern stelle demgegenüber ein Aliud dar, weshalb der Ausschluss seines Angebotes vergaberechtlich nicht zu beanstanden sei.



Anmerkung:

Das Vergaberecht geht davon aus, dass sich die Willenserklärungen von Auftraggeber und Bieter absolut decken müssen, was bei Änderungen an den Vergabeunterlagen durch den Bieter gerade nicht mehr möglich ist. Aus diesem Grund führt eine Änderung an den Vergabeunterlagen zwingend zum Angebotsausschluss. Speziell – wie hier – bei einer sog. Modulbauweise zeigt sich andererseits die Gefahr, dass der Auftraggeber durch eine sehr konkrete Festlegung des Auftragsgegenstandes den Bieterkreis so sehr verengt, dass letztlich eventuell kein zuschlagsfähiges Angebot mehr vorliegt.