Ungewöhnliches Wagnis
Ein ungewöhnliches Wagnis im Rahmen von Vergabeverfahren bezeichnet Situationen oder Bedingungen, die für Auftragnehmer unvorhersehbar und unkontrollierbar sind, jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf die Vertragserfüllung haben können. Solche Risiken sollten nicht auf den Auftragnehmer übertragen werden.
Rechtlicher Rahmen:
Die Regelung zu ungewöhnlichen Wagnissen ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A explizit für Bauaufträge festgelegt. Für Vergaben von Waren und Dienstleistungen gibt es keine direkte gesetzliche Regelung, jedoch wird das Prinzip aufgrund allgemeiner Vergabegrundsätze ebenfalls angewandt. Der Schutz vor ungewöhnlichen Wagnissen dient der Wahrung eines fairen Gleichgewichts zwischen den Vertragsparteien und der Sicherstellung einer effizienten Vertragserfüllung.
Beispiele und Anwendungsbereiche:
Ungewöhnliche Wagnisse können vielfältige Formen annehmen, beispielsweise Naturkatastrophen, Kriegsereignisse oder unvorhersehbare technologische Herausforderungen. Auch Abhängigkeiten von anderen Projekten oder Ausschreibungen können ein solches Risiko darstellen. Diese Umstände können die Preisgestaltung und Fristen der Auftragnehmer beeinträchtigen und stellen somit ein ungewöhnliches Wagnis dar.
Aufgaben der Auftraggeber:
Öffentliche Auftraggeber müssen sicherstellen, dass Auftragnehmern keine ungewöhnlichen Wagnisse aufgebürdet werden. Dies beinhaltet, dass alle relevanten Informationen, die preisbildend sein können, transparent gemacht werden und die Leistungserbringung im festgelegten Rahmen realisierbar ist. Bei der Erstellung von Leistungsbeschreibungen sind potenzielle Risiken und deren mögliche Auswirkungen zu berücksichtigen.
Abgrenzung zu gewöhnlichen Wagnissen:
Gewöhnliche Wagnisse, wie beispielsweise Risiken bei der Materialbeschaffung oder Preisschwankungen, sind Teil des normalen Geschäftsrisikos und müssen vom Auftragnehmer getragen und einkalkuliert werden. Sie unterscheiden sich von ungewöhnlichen Wagnissen dadurch, dass sie vorhersehbar und beeinflussbar sind.
Maßnahmen zur Risikominimierung:
Auftraggeber können Maßnahmen ergreifen, um ungewöhnliche Risiken in gewöhnliche Risiken umzuwandeln. Dazu gehört das explizite Hinweisen auf kritische Umstände und das Ermöglichen einer Risikobewertung und -kalkulation durch die Bieter. Dies schafft Transparenz und ermöglicht eine faire Preisgestaltung.
Rechtliche Konsequenzen:
Die Nichtberücksichtigung ungewöhnlicher Wagnisse kann zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Die Vergabe- und Vertragsordnungen sehen vor, dass Auftragnehmer nicht für Umstände verantwortlich gemacht werden dürfen, die sie nicht beeinflussen können und die zuvor nicht absehbar waren. Dies schützt sie vor ungerechtfertigten finanziellen Belastungen und unterstützt die Einhaltung der Grundsätze von Gleichbehandlung und Transparenz im Vergabeverfahren.