De-facto-Vergabe

Eine De-facto-Vergabe beschreibt die direkte Auftragsvergabe im Bereich der öffentlichen Beschaffung ohne ein vorgeschriebenes förmliches Vergabeverfahren. Diese Praxis, bei der Aufträge unmittelbar und ohne Wettbewerb an einen bestimmten Auftragnehmer vergeben werden, steht im Gegensatz zu den regulären Vergabeprozessen und ist grundsätzlich rechtswidrig.

Merkmale und Abgrenzung

De-facto-Vergaben erfolgen ohne vorherige öffentliche Ausschreibung oder Bekanntmachung, wodurch anderen potenziellen Bietern die Möglichkeit zur Teilnahme entzogen wird. Sie unterscheiden sich deutlich von regulären Direktvergaben oder Direktkäufen, die unter bestimmten Umständen, wie beispielsweise bei geringwertigen Aufträgen, erlaubt sind.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind Verträge, die auf Basis einer De-facto-Vergabe geschlossen wurden, anfechtbar und können für unwirksam erklärt werden. Dies setzt voraus, dass die Vergabe ohne die erforderliche Veröffentlichung stattfand und ein Nachprüfungsverfahren vor einer Vergabekammer dies feststellt.

Folgen und Rechtsschutz

De-facto-Vergaben können zu rechtlichen Konsequenzen für die beteiligten Parteien führen. Übergangene Bieter haben das Recht, ein Nachprüfverfahren zu initiieren, um die Unwirksamkeit des Vertrags feststellen zu lassen. Dies ist besonders relevant bei Aufträgen, die über festgelegte EU-Schwellenwerte hinausgehen.

Schwellenwerte und Nachprüfverfahren

Die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens besteht für Aufträge, die oberhalb der EU-Schwellenwerte liegen. Diese Schwellenwerte variieren je nach Art der Leistung, mit unterschiedlichen Grenzen für Liefer-, Dienstleistungs- und Bauleistungen. Ein Nachprüfungsantrag muss fristgerecht eingereicht werden, typischerweise innerhalb von 30 Kalendertagen nach Kenntniserlangung des Verstoßes und spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss.

Fristen und Verfahrensweisen

Für übergangene Bieter ist es entscheidend, schnell zu handeln und ihren Anspruch auf Nachprüfung fristgerecht geltend zu machen. Verstöße, die innerhalb der Fristen unentdeckt bleiben, führen dazu, dass die Verträge als wirksam betrachtet werden. In einigen Fällen können Auftraggeber die Frist auf 10 Kalendertage reduzieren, indem sie eine freiwillige Bekanntmachung der geplanten Vergabe vor Vertragsschluss veröffentlichen.

Identifikation von De-facto-Vergaben

Die Herausforderung bei De-facto-Vergaben besteht oft darin, sie zu erkennen. Sie werden meist erst im Nachhinein sichtbar, etwa wenn Leistungen über die vereinbarten Vertragslaufzeiten hinaus erbracht oder bei Insolvenz des Auftragnehmers durch eine andere Firma fortgesetzt werden.