Öffentliche Aufträge: Darum sind sie für Handwerker so uninteressant.
Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPLY entnommen.
Private Unternehmer und die öffentliche Hand finden nur noch schwer zueinander.
Die Kassen vieler Kämmerer sind voll. Und die Zinsen sind zu niedrig, um das Geld einfach auf die hohe Kante zu legen. Viele Kommunen wollen deswegen investieren, lang aufgeschobene Projekte verwirklichen. Pläne für neue Gebäude und Sanierungen liegen fertig in den Schubladen. Nur: Die Bauabteilungen in Städten und Gemeinden bekommen bei Ausschreibungen ihrer Leistungen kaum noch Angebote. Woran liegt es, dass das Handwerk und die öffentlichen Auftraggeber nur schwer zueinander finden? Eine Spurensuche. Ein Grund liegt auf der Hand und ist für jedermann ersichtlich: Überall in den Städten und Gemeinden beherrschen Kräne das Straßenbild, werden entweder große Wohnsiedlungen, Firmengebäude oder Eigenheime gebaut. Dank der seit Jahren guten Konjunktur und der niedrigen Baukreditzinsen gibt es einen anhaltenden Bauboom – vor allem im privaten und gewerblichen Bereich. Die Folge: Die Auftragslage im Handwerk ist gut bis sehr gut, die Bücher sind voll und die Kapazität der Firmen auf Monate ausgelastet. Es gab Zeiten, da forderten die Handwerkskammern auf ihren Konjunkturpressekonferenzen staatliche Programme, damit ihr Klientel die Auftragsbücher wieder voll bekommt. Im Jahr 2018 gings eben auch ohne öffentliche Aufträge.
Handwerker verzichten auf Verwaltungsaufwand
Wenn die Auftragslage gut ist, dann kann der Handwerker auf den Verwaltungsaufwand durch das Vergaberecht gut und gerne verzichten. „Für zweimal elf Meter Geländer soll ich ein Leistungsverzeichnis von 40 Seiten durchlesen und bearbeiten“, sagt Schlossermeister Stefan Zirngibl im oberbayerischen Weilheim
kopfschüttelnd. „Bei einem großen Auftrag lohnen sich die eineinhalb Stunden Büroarbeit, die ich nicht bezahlt bekomme. Aber nicht bei einem so kleinen“, rechnet der Kreishandwerksmeister vor. „Da gehe ich lieber in die Werkstatt.“ Ein noch drastischeres Beispiel hatte Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, bei einem Besuch in Berlin parat. Er überreichte dem Ulmer FDP-Bundestagsabgeordneten Alexander Kulitz einen 1,5-Kilogramm- Leitzordner voll Bürokratie: 600 Seiten, die exemplarisch den bürokratischen Aufwand eines Handwerksauftrags für eine Schulküche durch die öffentliche Hand zeigen, so Krimmer: „Für 10.000 Euro Umsatz arbeitet ein Handwerker in diesem Fall rund 150 Stunden, davon hatte er 58 Stunden nur Bürokratieaufwand zu leisten.“ Wäre es ein privater Auftrag gewesen, rechnet der Leutkircher Heizungsbaumeister vor, hätte er nur drei bis vier Seiten in eineinhalb Stunden durcharbeiten müssen. Für Krimmer ist es daher kein Wunder, dass sich Handwerker dann immer weniger für öffentliche
Aufträge interessieren, „wenn mehr als ein Drittel unproduktive Zeiten sind, die die Kosten richtig in die Höhe treiben“. Das sieht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) so:
Die zunehmende Komplexität der öffentlichen Auftragsvergabe habe gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen abschreckende Wirkung
, heißt es. Und auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund weiß man um die Problematik und fordert deswegen Erleichterungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Das Volumen dieser Ausschreibungen in Deutschland beträgt nach Schätzungen rund 300 Milliarden Euro jährlich. Die Kommunen sind dabei der mit Abstand größte öffentliche Auftraggeber.
Ein Geben und Nehmen zwischen Handwerk und Kommunen
Doch es ist nicht nur der Bürokratieaufwand, der zwischen Handwerk und Kommunen steht. Schlossermeister Zirngibl, der zusammen mit seiner Tochter einen Fünf-Mann-Betrieb führt, kennt beide Seiten: Er ist nämlich Auftragnehmer und Auftraggeber zugleich; als Stadtrat im 23.000-Einwohner-Städtchen Weilheim. Er ist sich sicher: „Handwerker sind bodenständig, fühlen sich ihren Heimatorten verpflichtet.“ Sie würden, selbst bei guter Auftragslage von privater und gewerblicher Seite, ihre Gemeinden nicht im Stich lassen, sondern notwendige Arbeiten erledigen und dann auch mal längere Leistungsverzeichnisse akzeptieren. Aber es sei ein Geben und Nehmen: „Wenn der Handwerker in schlechten Zeiten öffentliche Aufträge bekommt, dann steht er auch in guten Zeiten bereit.“
Billigpreise dominieren öffentliche Vergaben
Aber zurzeit würden öffentliche Auftraggeber seiner Ansicht nach oft den billigsten Anbieter nehmen – „selbst wenn er von weit her kommt“. Dabei seien die Kommunen lediglich verpflichtet, den wirtschaftlich günstigsten zu nehmen: „Und das muss nicht der billigste sein“, so Stadtrat Zirngibl. Ulms HWK-Präsident gibt ihm recht: Kommunen nehmen zu oft den billigsten und nicht den günstigsten Anbieter – zum Beispiel den Heizungsmonteur aus dem Ort, der dann auch die Wartung übernehmen könne. Krimmer: „Aber das muss die Bauverwaltung gegenüber dem Billigsten begründen. Und davor scheuen die meisten zurück.“ Und der Weilheimer Kommunalpolitiker macht noch auf ein weiteres Ärgernis aufmerksam. Bei Ausschreibungen müssen die Kommunen die örtlichen Handwerker einladen, aber immer auch einen auswärtigen.
„Aber oft werden drei, vier von außen angeschrieben“, weiß Zirngibl. Oft seien dann die Einheimischen raus, weil die Firmen aus anderen (Bundes-)Ländern billiger seien und die Aufträge bekämen. Wenn das öfter passiere, habe das örtliche Handwerk gar kein Interesse mehr, sich zu bewerben. „Da arbeite ich doch lieber fünf Stunden in der Werkstatt, als ein Angebot abzugeben, von dem ich weiß, dass es eh nicht zum Zuge kommen wird“, sagt Zirngibl. Dabei hätten Gemeinden die Möglichkeit, bei kleineren Aufträgen eine beschränkte Ausschreibung oder freihändige Vergaben zu machen. Dieser Freiraum werde viel zu wenig genutzt, „es wird fast alles ausgeschrieben, weil man immer nach dem billigsten Angebot schielt“.
Aufträge sind oft zu umfangreich ausgeschrieben
Und noch zwei Vergabepraktiken gehen dem Handwerksmeister gegen den Strich: Oftmals sind die Aufträge zu umfangreich für die in der Mehrzahl kleineren Betriebe in Gemeinden und kleineren Städten. Da würden zum Beispiel in einem Auftrag als Metallbauarbeiten ausgeschrieben: „Fenster/Türen – Brandschutz- Treppen sowie allgemeine Arbeiten wie Geländer, Garagentore etc.“ Für Schlossermeister Zirngibl unverständlich: „Ein großer Betrieb kann das leisten, ein kleiner nicht.“ Seine Forderung: Die Gewerke müssten einzeln ausgeschrieben werden. Dann könnten sich auch die kleinen Betriebe bewerben. Und bei großen Projekten, wie etwa dem Bau mehrerer Wohnungsblöcke, werden häufig für alle Häuser die Schlosserarbeiten im Paket ausgeschrieben: „Welcher durchschnittliche Betrieb soll das leisten, ohne etwa die andere Arbeit für Stammkunden liegen zu lassen oder gar nicht erst anzunehmen?“ Zirngibl plädiert für die Einrichtung von Losen, damit die Arbeiten für jedes Haus einzeln ausgeschrieben werden können. Dies ist eine altbekannte Forderung der Handwerkskammern. Präsident Krimmers Ratschlag an den Stadtrat Zirngibl: „Die Stadt- und Gemeinderäte müssten darauf dringen, dass die Verwaltungen ihren Generalunternehmern vorschreiben, dass die Aufträge in kleinen Volumen aufgeteilt werden.“