Messegesellschaften sind öffentliche Auftraggeber!
Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPLY entnommen.
Streit um die Vergabepflicht von Messegesellschaften
Schon lange ist umstritten, ob Messegesellschaften an das Vergaberecht gebunden sind. Seit 2013 stand es in der Rechtsprechung unentschieden: Zwei Gerichte unterwarfen Messegesellschaften dem Vergaberecht, der EuGH und die Vergabekammer Düsseldorf lehnten hingegen eine Pflicht zur Ausschreibung ab. Nun hat das OLG Düsseldorf gleich in zwei Fällen entschieden, dass Messegesellschaften öffentliche Auftraggeber sind (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2018, VII-Verg 50/16 und Beschluss vom 18.04.2018, VII-Verg 28/17).
Rückblick auf frühere Gerichtsurteile
Der Reihe nach: Im Jahr 2004 hat der EuGH geurteilt, dass die Messe Mailand („Ente fiera“) nicht an das Vergaberecht gebunden ist (EuGH Rs. C-126/03 vom 18.11.2004). Zwar erfülle sie im Allgemeininteresse liegende Aufgaben. Jedoch würde sie gewerblich tätig, da sie selbst ihr Verlustrisiko trage. Zwei Jahre später bejahten hingegen das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 27.07.2006, 2 Verg 5/06) und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Beschluss vom 27.01.2007, 1 Verg 5/06) die öffentliche Auftraggeber Eigenschaft für die Messe Berlin GmbH und die Hamburg Messe und Congress GmbH, weil ihre Gesellschafter (das Land bzw. die Stadt) das wirtschaftliche Risiko der Messen tragen und etwaige Verluste ausgleichen würden. Für Vergabeexperten eher überraschend entschied hingegen 2013 die Vergabekammer Düsseldorf, dass die Messe Düsseldorf GmbH nicht öffentlicher Auftraggeber sei, weil ihre Gesellschafter (Stadt Düsseldorf und Land NRW) ausdrücklich weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet seien, Verluste der Messe auszugleichen. Weil die Messe Düsseldorf mangels entgegenstehender Regelungen selbst ihr Insolvenzrisiko trage, sei sie nicht ans Vergaberecht gebunden. Da kein Rechtsmittel eingelegt wurde, wurde der Beschluss rechtskräftig.
Entscheidung des OLG Düsseldorf 2018
Erst 2018 – 5 Jahre später – hatte das OLG Düsseldorf die Frage der öffentlichen Auftraggeber Eigenschaft von Messegesellschaften auf dem Tisch. Und das gleich doppelt – zwei „Nachbarn“ der Düsseldorfer Messe waren von Bietern angegriffen worden, da sie ihre zu vergebenden Aufträge nicht ausgeschrieben hatten. In beiden Fällen bejahte das OLG die Bindung an das Vergaberecht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2018, VII-Verg 50/16 und Beschluss vom 18.04.2018, VIIVerg 28/17). Die beiden Entscheidungen können wohl als Abschluss der langen Debatte um die Auftraggeber Eigenschaft von Messegesellschaften gesehen werden (vgl. schon 2009 umfassend, Niedergöker: Die öffentliche Auftragsvergabe am Beispiel des europäischen Messewesens).
Die Entscheidungen über die Definition des öffentlichen Auftraggebers
Gemäß § 99 Nr. 2 GWB sind öffentliche Auftraggeber juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen und die einem besonderen Staatseinfluss – aufgrund der Finanzierung, Beherrschung, Beteiligung oder Aufsicht durch die öffentliche Hand – unterliegen. Unabhängig von ihrer Gesellschaftsform sind die deutschen Messegesellschaften juristische Personen des Privatrechts und werden von ihren Gesellschaftern – in der Regel Stadt, Land, zum Teil Industrie- und Handels- oder Handwerkskammern – beherrscht.
Die Veranstaltung von Messen dient dem allgemeinen Interesse.
Denn „indem der Ausrichter solcher Veranstaltungen Hersteller und Händler an einen Ort zusammenbringt, handelt er nicht nur im besonderen Interesse dieser Personengruppen, denen damit ein Ort zur Förderung des Absatzes ihrer Erzeugnisse und Waren zur Verfügung gestellt wird, sondern er verschafft auch den Verbrauchern, die die Veranstaltungen besuchen, Informationen, die es ihnen ermöglichen, ihre Wahl unter optimalen Bedingungen zu treffen. Der daraus resultierende Impuls für den Handel kann als im Allgemeininteresse liegend angesehen werden“ (EuGH, NZBau 2001, 403 ff.).
Messen und Wirtschaft
Die Ausrichtung von Messen und Ausstellungen selbst ist ohne Frage eine wirtschaftliche Tätigkeit. Sie besteht darin, (Veranstaltungs-)Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten. Die Messeveranstalter betätigen sich auch erkennbar in einem wettbewerblich geprägten Umfeld. Dies zeigt sich an Standortwechseln von Messethemen von der einen Messestadt zur anderen, Zersplitterung von Messeveranstaltungen in einzelne Themen, Abwanderungen von (Leit-)Messen und nicht zuletzt auch in der Konkurrenz zu privaten Veranstaltern, die z. B. Messegelände anmieten, um Veranstaltungen durchzuführen. Messegesellschaften handeln mit Gewinnerzielungsabsicht, allein schon deshalb, weil sie ihre Gewinne einsetzen, um Betriebskosten zu decken oder sie in ihre Gelände und Hallen investieren. Knackpunkt bleibt die Nichtgewerblichkeit.
Sonderstellung von Messegesellschaften im Markt
Nach den Entscheidungen des OLG Düsseldorf von 2018 gilt:Nichtgewerblich ist eine Tätigkeit, wenn sie durch das Zutun des Staates in einer Sonderstellung erfolgt. Maßgeblich ist die Frage: Handelt die Messe wie ein „normales (privates) Unternehmen“, oder befindet sie sich in einer Sondersituation, die ihr erlaubt, sich nicht allein von wirtschaftlichen Aspekten leiten zu lassen? Es ist nicht allein entscheidend, ob die Gesellschafter der Messe gesetzlich oder vertraglich verpflichtet sind, Verluste auszugleichen, um die Messe „am Leben zu halten“. Ein solcher Mechanismus zum Ausgleich von Verlusten muss nach Ansicht des OLG Düsseldorf gerade nicht ausdrücklich vorgesehen werden. Es reicht vielmehr aus, dass die Gebietskörperschaft, der die Messe gehört, aller Voraussicht nach die Verluste decken würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gesellschafter im Notfall einspringt, ist gerade bei Messen sehr groß. Sie sind immer Publikumsmagnet (Stichwort: „Messestadt“) und damit Grundlage für die sogenannte Umwegrendite (Einnahmen von Hotels, Restaurants, Verkehrs- und Transportunternehmen etc.). Für ihre Gesellschafter sind sie daher wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Weiter ist nach OLG Düsseldorf relevant, ob die Messegesellschaft unter „normalen Marktbedingungen“ tätig ist. Eine Sonderstellung kann durch viele Aspekte begründet werden. In dem am 22.03.2018 zu entscheidenden Fall stellte das OLG darauf ab, dass die Messe massiv gegenüber anderen (Privaten) von der öffentlichen Hand bevorzugt wird: Ihr wird von ihrer Gesellschafterin, der Stadt, das Messegelände quasi kostenlos zur Verfügung gestellt. Diese unentgeltliche Überlassung zeige, dass die Stadt ihre eigenen strukturpolitischen Interessen durchsetze und die Messe steuere. Zudem sei auszuschließen, dass ein Privater von der Stadt vergleichbare Konditionen bekommen würde.
Fazit
Beide Entscheidungen des OLG Düsseldorf zeigen, dass es bei der Prüfung der öffentlichen Auftraggeber Eigenschaft auf die tatsächliche Stellung des Unternehmens im Markt ankommt. Ob vertragliche Regelungen bestehen oder nicht, spielt dann keine Rolle mehr, wenn faktisch nicht ausgeschlossen ist, dass Verluste übernommen werden.