Freihändige Vergabe: Das sagt die VOB/A
Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPLY entnommen.
Freihändige Vergabe: Flexibilität im Vergaberecht nutzen
Das Vergaberecht ist geprägt von seiner Formstrenge. Dabei bietet die freihändige Vergabe durch die Verhandlungsmöglichkeiten den größten Spielraum. Die VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) sieht im 1. Abschnitt regelhaft drei Verfahrenstypen vor. Den breitesten Wettbewerb bietet die öffentliche Ausschreibung aufgrund des unbegrenzten Adressatenkreises. Bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe darf der Kreis der beteiligten Bieter hingegen begrenzt werden. Während öffentliche und beschränkte Ausschreibungen detailliert geregelt sind, wird die freihändige Vergabe in § 3 Abs. 3 VOB/A als formlos bezeichnet. Bei dieser Verfahrensart wendet sich der Auftraggeber an ausgewählte Unternehmen, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen unter Beachtung der Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie Wettbewerbsprinzip und Gleichbehandlungsgebot, zu verhandeln. Es finden alle Bestimmungen, die nicht ausdrücklich auf die öffentliche oder die beschränkte Ausschreibung abstellen, grundsätzlich auch bei der freihändigen Vergabe Anwendung (Ausnahme: Frist- und Formvorschriften), wie z. B. §§ 4 bis 9 VOB/A.
Verhandlungsmöglichkeit
Die (zulässigen) Verhandlungen können den Auftragsinhalt, insbesondere die zu erbringende Leistung, die Ausführungsmodalitäten in technischer und rechtlicher Hinsicht und den Preis umfassen. Eine Pflicht zur Verhandlung besteht bei der freihändigen Vergabe nicht. Bei den Verhandlungen darf der Auftraggeber den Preis von Mitbietern nicht an die anderen Bieter weitergeben, um diesen die Abgabe eines günstigeren Angebots zu ermöglichen.
Anwendungsbereich
Die freihändige Vergabe darf nach § 3a Abs. 4 Nr. 1 bis 6 VOB/A nur gewählt werden, wenn eine öffentliche oder eine beschränkte Ausschreibung unzweckmäßig ist. Die dort aufgeführten Fälle begründen beispielhaft das Vorliegen der erforderlichen Unzweckmäßigkeit (Beschaffungsziel kann anders nicht effektiv erreicht werden):
Nur ein bestimmtes Unternehmen kommt in Betracht (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A)
Aus objektiven Gründen kommt nur ein Unternehmen für die Leistungserbring in Betracht; bei lediglich ungenügender Marktübersicht ist die öffentliche oder beschränkte Ausschreibung zu wählen. Diese Voraussetzung ist als enger Ausnahmefall begründbar, wenn es z. B. wegen technischer Besonderheiten erforderlich ist, den Auftrag an ein bestimmtes Unternehmen zu vergeben (Patentschutz, besondere Erfahrung oder Geräte).
Besondere Dringlichkeit (§ 3 Abs. 4 Nr. 2 VOB/A)
Die besondere Dringlichkeit darf weder vorhersehbar noch dem Auftraggeber zuzurechnen sein. Nur echte Ausnahmefälle zur Behebung einer nicht vorhersehbaren Situation kommen in Betracht (z. B. Behebung von Katastrophenschäden, Beschaffung von Geräten zur Gefahrenabwehr, drohender vertragsloser Zustand im Fall der Daseinsvorsorge, Insolvenz des bisherigen Auftragnehmers und einer darauf erfolgenden Kündigung des Bauvertrages).
Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar (§ 3 Abs. 4 Nr. 3 VOB/A)
Bei diesem Ausnahmefall fehlt es z. B. bei in technischer Hinsicht neuartigen Bauvorhaben an einer hinreichenden Beschreibbarkeit der zu erbringenden Leistung oder es liegen spezielle Baumaßnahmen vor, bei denen besondere unternehmerische Erfahrungen und Kenntnisse gefordert sind (z. B. ist erst im Dialog die Lösung für verschiedene Techniken und Baumethoden zu suchen). Auch bei einem durch Kündigung oder Insolvenz abgebrochenen Vorhaben und der Vergabe des Restes an einen Nachfolgeunternehmer kann die Leistung nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar sein und zu vergleichbaren Angeboten führen.
Erneute Ausschreibung nicht erfolgsversprechend (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 VOB/A)
Bei einer wirksamen Aufhebung darf eine neue Ausschreibung kein annehmbares Ergebnis versprechen. Gefordert wird – ausgehend von der Ursache des Misserfolgs der vorherigen Ausschreibung – eine Prognose hinsichtlich des Ergebnisses einer erneuten Ausschreibung. Sofern hiernach der Misserfolg im Falle einer neuen Ausschreibung behebbar sein dürfte, kommt eine freihändige Vergabe nicht mehr in Betracht (zum Beispiel bei bloßer Änderung der Planung oder Anpassung der Termine).
Leistung unterliegt der Geheimhaltung (§ 3 Abs. 4 Nr. 5 VOB/A)
Aus rechtlich anerkennenswerten Gründen der Geheimhaltung (nicht betriebliche oder politische Geheimhaltungsgründe des Bieters) ist eine freihändige Vergabe begründbar. Zu prüfen ist, ob dem Geheimhaltungserfordernis durch eine beschränkte Ausschreibung entsprochen werden kann.
Kleine Zusatzleistung (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 VOB/A)
Eine freihändige Vergabe ist möglich, wenn bereits eine größere Leistung vergeben wurde, eine kleinere dieser nachfolgt und sich nicht ohne Nachtrag von der größeren Leistung trennen lässt. Hierbei handelt es sich um sogenannte Anschlussaufträge, die nicht nach § 1 Abs. 3 oder 4 VOB/B den Bedingungen des bisherigen Vertrages unterfallen (z. B. in bautechnischer Hinsicht notwendige Einheit bei Durchführungen).