Engagement für eine bessere Welt!
Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPL entnommen.
IT-Beschaffung mit sozialer und ökologischer Verantwortung
Vom 21. bis 22. Juni 2018 fand in Stuttgart die 6. Fachkonferenz für sozial verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware statt. Eine gute Gelegenheit, um einmal zu schauen, ob bei diesem Thema nur debattiert wird oder tatsächlich etwas passiert. Und natürlich, um die Institutionen vorzustellen, die mit Engagement dahinterstehen.
Energieverbrauch und Arbeitsbedingungen in der Hardwareproduktion
Der Bedarf unserer digitalisierten Welt an Hardware ist beachtlich. 2014 wurden beispielsweise knapp 31 Millionen Computer in Deutschland bei Unternehmen und Behörden eingesetzt, die 3,7 Milliarden KWh an Strom verbrauchten. Seitdem ist die Zahl der Geräte gestiegen und damit auch der Energiebedarf, obwohl sie effizienter geworden sind. Außerdem muss die Hardware zunächst hergestellt werden, was zusätzlich Energie und Rohstoffe verbraucht. Doch an erster Stelle dieser Betrachtung gehören selbstverständlich die Menschen, deren Arbeitskraft in der Produktionskette unverzichtbar ist – von der Förderung der Erze in einer Kupfermine bis zur Endmontage am Fließband. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen bei der Produktion von Informations- und Kommunikationstechnik bilden die unschöne Wunde, auf die die Fachkonferenz den Finger legte. Dabei wurden aber auch positive Entwicklungen aufgezeigt und die wichtige Rolle der öffentlichen Beschaffung hervorgehoben, um diese Tendenzen zu fördern. Aus diesem Bereich rekrutierten sich dann auch überwiegend die Teilnehmer der Konferenz.
Auf sicherem Kurs
Der Ansatz ist richtig. Denn die öffentliche Verwaltung gibt immerhin rund 20 Milliarden Euro jährlich für die Beschaffung von IT-Geräten aus. So die Angaben auf der Internetplattform Kompass Nachhaltigkeit. Diese ist ein gemeinsames Projekt der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Ziel des Kompasses ist es, den Beschaffungsverantwortlichen der öffentlichen Verwaltung konkrete Hilfen und Vorlagen zu bieten, um soziale und ökologische Kriterien in die Ausschreibungsverfahre zu integrieren und damit in der Praxis umzusetzen. Das gebotene Material ist vielfältig und liefert ausführliche Informationen zur gesamten Wertschöpfungskette bei der Hardware-Produktion – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung der Altgeräte. Eine unschätzbare Hilfe ist darüber hinaus die umfassende Beschreibung vieler Zertifikate und Siegel, die als Gütezeichen für Computer zur Verfügung stehen und bewährte Nachweise für den Einkäufer darstellen. Tatsächlich gibt es weitaus mehr Umweltsiegel als nur den Blauen Engel, daher ist diese Orientierungshilfe absolut notwendig für alle, die Computer sozial verantwortlich und nachhaltig anschaffen wollen bzw. müssen. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite www.kompass-nachhaltigkeit.de.
Menschen Perspektiven bieten
Wie oben erwähnt, stehen im Wesentlichen zwei Organisationen hinter dem Kompass. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist eine staatliche Entwicklungsorganisation der Bundesrepublik Deutschland. Sie bietet als Dienstleister unter anderem, wie der Name schon vermuten lässt, Lösungen bei der internationalen Zusammenarbeit mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung. Hauptauftraggeber der GIZ ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). In dessen Mission führt die GIZ das Sektor vorhaben „Nachhaltigkeitsstandards und öffentlich-private Verantwortung“ durch, mit dem Ziel, „öffentliche und private Akteure in die Gestaltung und Förderung nachhaltiger globaler Wertschöpfungsketten einzubeziehen“. Die Palette der Auftraggeber und Kooperationspartner der GIZ ist jedoch wesentlich größer und umfasst neben der deutschen Bundesregierung auch Institutionen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen, der Privatwirtschaft und Regierungen anderer Länder. Genauso breit gefächert sind damit auch die Aufträge und Aufgaben, die einer Sache dienen: wirksame Lösungen erarbeiten, die Menschen Perspektiven bieten und deren Lebensbedingungen dauerhaft verbessern.
Engagement Global
Hinter der zweiten Organisation, auf der der Kompass für Nachhaltigkeit fußt, der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, steht wiederum die Engagement Global gGmbH – Service für Entwicklungsinitiativen. Das öffentliche Unternehmen wurde 2012 in Bonn gegründet. Es steht mit Rat und finanziellen Fördermitteln sowohl Einzelpersonen als auch Zivilgesellschaften, Kommunen, Wirtschaft und Stiftungen bei entwicklungspolitischen Vorhaben zur Seite und qualifiziert die Akteure. Auftraggeber ist die Bundesregierung, die nötigen Gelder kommen vom BMZ. Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) unterstützt als Service- und Beratungseinrichtung Nachhaltigkeitsbestrebungen auf kommunaler Ebene.
Bereits 2001 gegründet, fördert SKEW unter dem Dach von Engagement Global mit ihren Serviceangeboten die Implementierung einer fairen Beschaffung sowie fairer Produktions- und Handelsbedingungen.
Hier sei insbesondere die kostenfreie Rechtsberatung hervorgehoben. Beschaffende Stellen, die nachhaltige und soziale Vergabekriterien einbinden wollen, können ihre Ausschreibungsunterlagen einreichen und auf Rechtskonformität prüfen lassen. Weitere Informationen finden Interessierte unter folgender Internet-Adresse: www.skew.engagement-global.de.
Aus der Praxis: Baden-Württemberg
Dass Verantwortung nicht nur die Forderung engagierter Idealisten ist, sondern auch bereits von entscheidenden Stellen angenommen wurde, zeigt der Bericht über die öffentliche Beschaffung von IT-Hardware in Baden- Württemberg, der auf der Stuttgarter Fachkonferenz vorgestellt wurde und den Untertitel „Stand und Potenzial für die Berücksichtigung sozialer Kriterien“ trägt. Auf über zwanzig Seiten werden der Status quo bei der öffentlichen Beschaffung und Potenziale für die Zukunft auf Ebene des Landes und der Kommunen sowie der Hochschulen aufgezeigt. Dazu werden die rechtlichen Rahmenbedingungen aufgeführt und zu guter Letzt erfreulicherweise auch konkrete Empfehlungen, wie im drittgrößten Bundesland IT-Hardware sozial verantwortlich beschafft werden kann.
Gute Vorarbeit
Baden-Württemberg ist eines der wirtschaftsstärksten Gebiete in Europa und liegt in puncto Hochtechnologie sowie Forschung und Entwicklung ganz weit vorn. Hier gilt das Land als besonders innovativ. Ein Blick auf das, was hier passiert, ist schon aus diesem Grunde alles andere als eine Notiz aus der Provinz. Schon vor Jahren wurde die nachhaltige Beschaffung von IT-Geräten legislativ gut vorbereitet. 2007 wurde die „Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg“ von der Landesregierung beschlossen. Ziel: „Nachhaltigkeit zum zentralen Entscheidungskriterium von Regierungs- und Verwaltungshandeln zu machen“. Die Umsetzung sollte zum Markenzeichen des Landes werden. Waren die Ziele der ursprünglichen Version noch eher lokal formuliert, wurden sie 2016 verstärkt an globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) ausgerichtet. 2013 kamen die „Entwicklungspolitischen Leitlinien für Baden-Württemberg“ hinzu. Damit bekannte sich die Landesregierung zu ihrer Vorbildfunktion bei der verantwortlichen Beschaffung. Sie gelobte, „neben ökonomischen auch regionale, ökologische und soziale Kriterien und bevorzugt, wo möglich, Produkte aus fairem Handel“ zu berücksichtigen. Mit den Leitlinien sicherte die Landesregierung zu, dafür die vergaberechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das Versprechen wurde 2015 mit der „Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung)“ eingelöst. Hier werden die Kriterien des fairen Handels und soziale Mindeststandards, die zu erfüllen sind, konkret benannt. 2014 beschloss das Landeskabinett die „Landesstrategie Green IT“. Ziel der Strategie ist, den Ressourcenverbrauch unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren. Dazu werden 92 Maßnahmen empfohlen, die auch die Beschaffung und Ausschreibung von IT-Geräten einbeziehen und konkrete Zielvorgaben benennen. Fast selbstverständlich wird dabei den öffentlichen Beschaffern die Berücksichtigung der Lebenszykluskosten ans Herz gelegt. Damit wurden zahlreiche und vorbildliche Anknüpfungspunkte geschaffen, um eine nachhaltige und sozial verantwortliche Beschaffung in der Realität umzusetzen. Eine aussagekräftige Evaluierung der Effekte, die zeigt, dass Baden-Württemberg sich sein angestrebtes Markenzeichen tatsächlich ans Revers heften kann, steht leider noch aus.
Nachhaltige Beschaffung: Verantwortung und Rückwirkungen im Fokus
So oder so ist aber der richtige Weg eingeschlagen. Dabei beruhigt nicht nur jeder sein Gewissen, der beim Kauf seines Computers auf Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit achtet: Katastrophale Umweltschäden bei der Gewinnung der Rohstoffe und soziale Unruhen aufgrund menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen können sehr schnell wie ein Bumerang zu uns in den Westen zurückkehren. Daher ist das Thema völlig zu Recht so stark in den Fokus der öffentlichen Beschaffung gerückt worden.