»Die Drohkulisse ist für Bieter ernst zu nehmen!«
Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPLY entnommen.
Das neue bundesweite Wettbewerbsregister
Rechtzeitig vor der großen Sommerpause 2017 hat der Bundesrat das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters final gebilligt. Die Maßnahme ist unter Experten nicht unumstritten, doch für Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries steht fest: „Mit dem Register stellen wir sicher, dass die schwarzen Schafe von Vergaben ausgeschlossen werden.“ Ist der Optimismus berechtigt? Oder unterläuft die Möglichkeit einer vergaberechtlichen Selbstreinigung eventuell die Wirkung des Registers? SUPPLY sprach dazu mit dem Hamburger Rechtsanwalt Sebastian Schnitzler.
SUPPLY: Das nun beschlossene bundesweite Wettbewerbsregister war und ist umstritten. Dabei wird gern angeführt, dass es ja bereits Landesregister gibt. Aber sind die effektiv? Falls nein, kann man daraus Schlüsse für das bundesweite Wettbewerbsregister ziehen? Falls ja, hätte es dann überhaupt eines bundesweiten Registers bedurft?
Sebastian Schnitzler: Die bestehenden Landesregister verfügen über unterschiedliche Eintragungsvoraussetzungen. In der Mannigfaltigkeit, wie wir sie vorfinden, sind sie nicht effektiv. Das bundesweite Register wird dagegen wesentlich mehr Wirkung zeigen. Nicht nur Reichweite und Einheitlichkeit sind hier zu nennen. Entscheidend ist aus meiner Sicht auch, dass das Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt angesiedelt sein wird. Die Kartellbehörde wird dem Register einen deutlich effektiveren Anstrich verleihen, als dies bisher auf Landesebene der Fall war. Die Beschlussabteilungen beim Bundeskartellamt sind die berufenen Behörden, um kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Die ebenfalls beim Bundeskartellamt angesiedelten Vergabekammern des Bundes sind die zuständigen Nachprüfungsinstanzen, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge im Verantwortungsbereich des Bundes geht. Know-how im Umgang mit eintragungsrelevanten Delikten und vergaberechtlichen Spielregeln besteht daher reichlich. Ich bin sicher, dass eine Eintragung in das Wettbewerbsregister für betroffene Unternehmen neben drohenden Geldbußen und Schadensersatzansprüchen eine weitere nicht zu unterschätzende Rechtsfolgenverschärfung darstellt.
SUPPLY: Was schätzen Sie: Werden Unternehmen, die sich auf öffentliche Ausschreibungen bewerben, zukünftig verstärkt darauf achten, dass ihre Weste sauber bleibt? Dass sie nicht auf die „Liste“ zu kommen?
Schnitzler: Unabhängig vom Wettbewerbsregister ist dies ein Trend, der sich ohnehin abzeichnet. Immer mehr Unternehmen begreifen, dass Compliance alternativlos ist. Nichtsdestotrotz wird das Wettbewerbsregister ob seiner spürbaren Rechtsfolgen in Form von Einzelausschlüssen und/oder Vergabesperren zu mehr Prävention in den Unternehmen beisteuern. Hinzu kommt, dass – sofern ein Unternehmen in das Register eingetragen worden ist – ihm nur die vergaberechtliche Selbstreinigung bleibt. Die Selbstreinigung wurde im Rahmen der jüngsten Vergaberechtsreform erstmals legislativ ausgestaltet (§125 GWB). Die Initiative um das Wettbewerbsregister hält hier nun ebenfalls eine entscheidende Änderung bereit. Oblag die Beurteilung ergriffener Selbstreinigungsmaßnahmen bisher dem öffentlichen Auftraggeber, liegt die Zuständigkeit künftig auch bei der Registerstelle. Sofern diese zu dem Ergebnis gelangt, dass die Selbstreinigung vollumfänglich und hinreichend vollzogen wurde, ist die Eintragung zu löschen. Darüber hinaus besteht für Unternehmen weiterhin die Möglichkeit, die Selbstreinigungsmaßnahmen gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber anzuzeigen und von ihm prüfen zu lassen.
SUPPLY: Eines der vier Elemente, aus denen die vergaberechtliche Selbstreinigung besteht, sind die „personellen Maßnahmen“. Besteht hier nicht die Gefahr, dass das Unternehmen ein Bauernopfer präsentiert und die eigentlich Verantwortlichen sauber aus der Sache herauskommen?
Schnitzler: Dahingehende Befürchtungen halte ich für unbegründet. Ein Blick auf getroffene Entscheidungen der Vergabekammern und -senate zeigt, dass Selbstreinigungsmaßnahmen bereits häufiger an fehlenden oder nicht ausreichenden personellen Maßnahmen gescheitert sind. An dieser Stelle gilt es, mit Augenmaß zu agieren. Einerseits müssen gerade mittelständische Unternehmen arbeitsfähig bleiben, andererseits soll die sanktionsbefreiende Wirkung der Selbstreinigung nicht gefährdet werden.
SUPPLY: Personelle Maßnahme heißt prinzipiell nicht unbedingt Entlassung aus dem Unternehmen, sondern auch interne Versetzung. Oder würde dies zukünftig nicht mehr ausreichen?
Schnitzler: Die pauschale Beantwortung dieser Frage ist schlicht nicht möglich. Es ist stets der Einzelfall unter Berücksichtigung des im Raume stehenden Verstoßes zu betrachten. Bei einer über mehrere Jahre hinweg andauernden Kartellabsprache über Preise mit direkten Wettbewerbern, in die ein Geschäftsführer unmittelbar und nachweislich involviert war, ist eine schlichte Versetzung allerdings kaum zu rechtfertigen.
SUPPLY: Alle deutschen Automobilhersteller sollen sich seit 1990 massiv abgesprochen haben. Wie ist Ihre Einschätzung in dieser Sache: Wie schnell könnten diese Firmen auf der „Schwarzen Liste“ stehen? Und nach einer erfolgreichen Selbstreinigung wieder von der Liste verschwinden?
Schnitzler: Die Sache ist hoch komplex. Bisher sind nicht allzu viele Informationen an die Öffentlichkeit gelangt. Aus den Medien weiß man von Bonus- und Kronzeugenanträgen, aus denen vorschnell zu viel geschlossen wird. Warten wir also ab. Ungeachtet dessen wird das bundesweite Wettbewerbsregister nicht bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Registers, sondern aller Voraussicht nach erst im Jahr 2020 mit Leben gefüllt werden. Bis dahin ist also noch etwas Luft. Auch über Dauer und Intensität von Selbstreinigungsmaßnahmen lässt sich pauschal nichts sagen.
SUPPLY: Eine Selbstreinigungsmaßnahme muss vollumfassend und hinreichend vollzogen sein. Wie groß ist hierbei der Ermessensspielraum der Registerstelle?
Schnitzler: Ein Ermessensspielraum besteht nicht. Sofern hinreichende Maßnahmen nachweislich ergriffen worden sind, muss die Eintragung gelöscht werden. Allerdings hat die Registerstelle bzw. der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen zureichend sind. Wir werden mit Interesse verfolgen, wie das Bundeskartellamt diesen Spielraum künftig ausschöpfen wird.
SUPPLY: Also wird das Wettbewerbsregister ein wirkungsvolles Instrument sein?
Schnitzler: Ja, denn es wird den öffentlichen Auftraggeber deutlich entlasten, der bei Fragen zu Selbstreinigungsmaßnahmen oftmals überfordert ist. Wie soll eine Kommune, deren Vergabeabteilung mit einer halben Stelle besetzt ist, einerseits Korruptionsstraftatbestände sowie Kartellverstöße und anderseits umfassende und komplexe Selbstreinigungsmaßnahmen der betroffenen Unternehmen beurteilen? Hier wird sich mit der Übernahme dieser Aufgabe durch das Bundeskartellamt einiges ändern. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Das Wettbewerbsregister werden wir mittelfristig auch auf Ebene der EU erleben.
SUPPLY: Gibt es in den anderen Mitgliedsstaaten nichts Vergleichbares?
Schnitzler: Nein, bisher nicht. Das Wettbewerbsregister ist bisher ein nationaler Alleingang. Ein weiterer Grund, weshalb ich davon überzeugt bin, dass das Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt richtig verortet ist. Die deutsche Kartellbehörde genießt international ein herausragendes Ansehen und ist – etwa über das European Competition Network (ECN) – gut vernetzt. Das kann am Ende schnell zu einer Europäisierung des Wettbewerbsregisters führen.
SUPPLY: Ist das aber für europaweite Ausschreibungen nicht zwingend nötig?
Schnitzler: Perspektivisch ganz sicher. Das ist für mich der nächste logische Schritt. Bedenken wir aber, wie schwer wir uns bereits bei der Implementierung des bundesweiten Registers getan haben. Eine erste Gesetzesinitiative aus dem Jahr 2012 hat damals keine politischen Mehrheiten gefunden. Es ist daher genauso klar, dass wir mit einer europäischen Lösung nicht allzu bald rechnen können. Wenn es soweit ist, würde ich aber ebenfalls eine zentralisierte Steuerung im Verantwortungsbereich der Europäischen Kommission empfehlen.
SUPPLY: Wettbewerbsregister – können Sie noch einen kurzen Rat für die Praxis geben?
Schnitzler: Ich denke, öffentliche Beschaffer können der Einführung und Entwicklung des Wettbewerbsregisters ganz entspannt entgegenblicken. Dieses Instrument wird ganz sicher ihre Arbeit erleichtern. Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten möchten, sollten dagegen die Drohkulisse einer Eintragung in das Wettbewerbsregister zwingend ernst nehmen.
SUPPLY: Herr Schnitzler, vielen Dank für das Gespräch.