Bieten. Für. Deutschland.

Bieten. Für. Deutschland.

Bieten. Für. Deutschland.

  • Redaktion
  • 8 Min

Dieser Artikel wurde aus unserem Magazin SUPPLY entnommen.

Die Beschaffung im Wettbewerb nach Maßgabe des EU-Vergaberechts stellt für den Auftraggeber aber auch für viele anbietende Unternehmen im Verteidigungssektor nach wie vor eine Herausforderung dar.

Anwendung des Vergaberechts

Lange Zeit galt die Annahme, die militärische Beschaffung sei per se von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen. Dieser Vorstellung ist der Europäische Gerichtshof seit jeher in zahlreichen Verfahren energisch entgegengetreten. Seit 2012 besteht mit der „Vergabeverordnung Sicherheit und Verteidigung“ (VSVgV) ein nationales Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt und die Durchführung von Vergabeverfahren im Sicherheits- und Verteidigungsbereich verbindlich regelt. Die Beauftragung ohne vorheriges Wettbewerbsverfahren ist seither die absolute Ausnahme geworden und nur noch in sehr engen Grenzen vorstellbar.

Förmliches Verfahren

Nicht zuletzt durch die Anwendung des Vergaberechts sind die Geschäftsbeziehungen
zum Kunden Bundeswehr in ein enges und von Formalien geprägtes Korsett geraten. Anbietende Unternehmen müssen akkurate Teilnahmeanträge und Angebote einreichen, was den administrativen Aufwand enorm erhöht. Wer noch keine Erfahrungspraxis bei der Angebotseinreichung hat, sollte sich bei den ersten „Gehversuchen“ in Vergabeverfahren unbedingt professionellen Rat einholen, um nicht bereits an unvollständigen Formblättern zu scheitern. Diese zusätzliche Investition ins Business-Development wird sich angesichts des hohen Fehlerpotenzials rasch amortisieren.

Förmliche Maßnahmen

Den „Spielregeln“ des Auftraggebers – also den förmlichen Bedingungen, die er durch die von ihm gewählte Verfahrensart setzt – stehen ähnlich förmliche Instrumente gegenüber, die die Bieter gegenüber dem Auftraggeber anwenden können und müssen. Unterhalb der gerichtlichen Ebene sind dies die Bieterfrage, die Rüge sowie das Nachprüfungsverfahren. Viele Bieter „beißen nicht die Hand, die sie füttert“. Allerdings betrachtet das auch die Vergabestelle professionell, da in dem von ihr gestalteten Vergabeverfahren von Gesetzes wegen ausschließlich diese Mittel zur Verfügung stehen. Unternehmer sind gut beraten, auf dieser Klaviatur zu spielen und dadurch – freundlich im Ton, verbindlich in der Sache – ihre Rechte zu wahren.

Mittelstandsförderung

Die Teilnahme an Vergabeverfahren bietet gleichwohl auch Vorteile. Das beginnt bereits damit, dass grundsätzlich jeder – auch ein neuer Bewerber im Markt – über die Bekanntmachung (im EU-Amtsblatt) überhaupt Zugang zu Aufträgen der Bundeswehr erhält, von denen er ansonsten ggf. keine Kenntnis erhalten hätte. Das Vergaberecht enthält zudem seit 2016 ausdrücklich das Gebot der Mittelstandsförderung. Für den Verteidigungssektor von Bedeutung sind die Aufteilung eines Gesamtauftrags in einzelne Lose, die Nachunternehmerregelung (§ 27 Abs. 4 VSVgV) sowie die Unterauftragsvergabe, also die eigenständige Durchführung von „Unter-Wettbewerben“ durch große Systemhäuser mit dem Ziel, kleinere Lieferanten an Großprojekten anteilig und wettbewerblich zu beteiligen.

Rechtssicherheit

Ein rascher und rechtssicherer Vertragsschluss ist ein Kernelement des Vergaberechts. Soll ein anderes Angebot bezuschlagt werden, bestehen für unterlegene Wettbewerber nur sehr kurze Fristen, die Auftragsvergabe zu überprüfen.
Sie müssen sehr schnell reagieren und sollten beim ersten Verdacht eines Vergabefehlers daher umgehend rechtlichen Rat einholen. Ein „Nachverhandeln“ jenseits der verfahrensförmlichen Maßnahmen ist unmöglich.

Rügepräklusion

Die Kehrseite der raschen Rechtssicherheit sind die straffen Ausschlussfristen, etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vergabe (an einen Wettbewerber) vorzubringen. Hinweise auf mögliche Rechtsfehler in Vergabeverfahren sind daher keine „Munition“, die man bunkern und erst später einsetzen kann. Sie sind unverzüglich im laufenden Verfahren bei der Vergabestelle geltend zu machen. Diese Rüge kann formlos erfolgen, wird aber rechtsförmlich behandelt. Bereits nach Ablauf weniger Tage besteht dafür keine rechtliche Möglichkeit mehr – man spricht von Rügepräklusion. Vielen Unternehmern fällt es schwer, ihren (einzigen) Kunden Bundeswehr zu rügen. Die Rüge ist allerdings weder als destruktives Monitum noch gar als „Klage“ zu verstehen, sondern als ein vom Gesetzgeber zwingend vorgesehenes Mittel im Vergabeverfahren, mit dem der Bieter seine Rechte wahrt (wahren muss) – etwa ein formalisiertes „Noch-mal-Nachfragen“.

Projektantentätigkeit

Nach wie vor bestehen Vorbehalte von Unternehmern, mit der Bundeswehr gemeinsam Projekte zu initiieren. Die Furcht ist groß, aufgrund des dadurch entstehenden Informationsvorsprungs einen Wettbewerbsvorteil zu „erleiden“ und daher von der eigentlichen Vergabe des anschließenden Lieferauftrags ausgeschlossen zu werden. Das Vergaberecht beabsichtigt allerdings genau das Gegenteil und will die möglichst vielfältige Partizipation von Anregungen und Angeboten am Wettbewerb fördern. Daher ist die Rechtslage seit Langem geklärt: Projektanten sind nicht auszuschließen, sondern ihr Informationsvorsprung ist durch transparente Weitergabe an die weiteren Verfahrensbeteiligten zu nivellieren. Das BAAINBw muss schlicht die Transparenz und Gleichbehandlung sicherstellen, mehr nicht. Ausgeschlossene Projektanten sollten daher umgehend Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Leistungsbestimmungsrecht

Eine ganz entscheidende wirtschaftliche Bedeutung hat die Frage, was beschafft werden soll. Der Auftraggeber nimmt durch die Festlegung des Vergabegegenstands in einem begrenzten Markt – wie dem Verteidigungssektor – notwendigerweise starken Einfluss auf die Marktsituation.

Durch ein Zuspitzen der nachgefragten Leistung auf bestimmte Spezifikationen kann bereits die Anzahl der überhaupt in Betracht kommenden Bieter stark eingeschränkt werden.

Die Rechtsprechung billigt dem Auftraggeber ein enorm weites Leistungsbestimmungsrecht zu, das seine Grenzen erst in einem willkürlichen Wettbewerbsausschluss zu finden scheint. Dem steht prinzipiell das Gebot der Produktneutralität entgegen. In diesem Spannungsfeld sind Alternativlösungen häufig nur mit den Mitteln des Vergaberechtsschutzes durchsetzbar.

Exklusivität

Kennzeichnend für den Verteidigungssektor ist nicht zuletzt eine häufig über Jahrzehnte bestehende Kundenbeziehung, was mit einem langjährigen Ausschluss vom Wettbewerb einhergeht. Bei komplexen Waffensystemen liegt dies näher, bei zivil marktgängigen Leistungen weniger. Die VSVgV trägt den hohen Einrichtungskosten im Verteidigungssektor insoweit Rechnung, als dass Rahmenverträge über bis zu 7 Jahre abgeschlossen werden dürfen (sonst: 4 Jahre). Bei genauerem Hinsehen sind in vielen Ausschreibungen dennoch Hürden enthalten, die Newcomern den Markteintritt erschweren und ein „Hoflieferantentum“ befördern. Diesen Markt können sich neue Wettbewerber meist nur über ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Bundes erschließen.

Know-how-Schutz

Ein Risiko für Unternehmen besteht nach wie vor darin, dass sie ihr Knowhow in Vergabeverfahren preisgeben, ohne dass dieses angemessen vor Weiterverbreitung an Wettbewerber oder vor der „kostenlosen“ Nutzung durch den Auftraggeber geschützt wird. Mit § 6 VSVgV sollte dem Bedürfnis nach Vertraulichkeitsschutz besonders Rechnung getragen werden. Der Grund für die geringe Akzeptanz der besonderen Verfahrensarten Verhandlungsverfahren, Wettbewerblicher Dialog oder
(zukünftig) Innovationspartnerschaft dürfte jedoch nach wie vor auch darin liegen, dass vielen dieses Schutzniveau nicht ausreicht. Betroffene Unternehmen sollten daher frühzeitig und unabhängig von laufenden Ausschreibungen Expertenrat in Bezug auf die Mechanismen des Gewerblichen Rechtsschutzes in Vergabeverfahren hinzuziehen und gegenüber dem Auftraggeber geltend machen.

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