Rückversetzung

Die Rückversetzung ist ein vergaberechtliches Instrument, das öffentlichen Auftraggebern erlaubt, ein bereits fortgeschrittenes Vergabeverfahren in ein früheres Stadium zurückzuführen. So können erkannte Verfahrensfehler korrigiert werden, ohne das gesamte Verfahren vollständig aufheben zu müssen.

Rückversetzung im Vergabeverfahren

Fehler im Vergabeverfahren lassen sich trotz sorgfältiger Planung nicht immer vermeiden. Sie können unterschiedliche Ursachen haben: unvollständige oder fehlerhafte Vergabeunterlagen, unterlassene Informationen an die Bieter, Rechtsverstöße im Rahmen der Angebotswertung oder formelle Mängel wie Fristverletzungen. Um solche Fehler zu korrigieren, muss der öffentliche Auftraggeber nicht zwingend zur vollständigen Aufhebung greifen – eine Rückversetzung kann unter bestimmten Voraussetzungen die mildere, rechtlich zulässige Alternative darstellen.

Dabei handelt es sich bei der Rückversetzung um die teilweise Aufhebung eines Vergabeverfahrens, die gezielt auf bestimmte Verfahrensabschnitte begrenzt ist. Ziel ist es, durch die Wiederholung nur notwendiger Teile des Verfahrens die Rechte der Beteiligten zu wahren und gleichzeitig Ressourcen und Zeit zu sparen.

Rechtliche Grundlage und Zulässigkeit

Im deutschen und europäischen Vergaberecht ist die Rückversetzung nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie wird jedoch von der vergaberechtlichen Rechtsprechung anerkannt – sowohl von den Vergabekammern als auch von den Oberlandesgerichten. Voraussetzung für ihre Zulässigkeit ist das Vorliegen eines sachlichen Grundes, der die Rückversetzung rechtfertigt. Der öffentliche Auftraggeber darf dabei nicht willkürlich oder zum Nachteil einzelner Bieter handeln, sondern muss die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung wahren.

Ein solcher sachlicher Grund kann etwa in einem Fehler in den Vergabeunterlagen bestehen – zum Beispiel ein unvollständiges Leistungsverzeichnis – oder in der verspäteten Beantwortung bieterrelevanter Rückfragen. Auch neue Informationen oder Veränderungen im Bieterkreis (z. B. Personalwechsel) können eine Rückversetzung rechtfertigen.

Abgrenzung zur Aufhebung

Im Unterschied zur vollständigen Aufhebung bleibt bei einer Rückversetzung das Verfahren im Grundsatz bestehen. Es wird lediglich bis zu einem bestimmten, früheren Zeitpunkt „zurückgedreht“, um den aufgetretenen Fehler zu beseitigen. Die bereits durchlaufenen Verfahrensabschnitte bleiben erhalten, soweit sie nicht vom Fehler betroffen sind.

Die Rückversetzung ist demnach ein milderes Mittel im Vergleich zur Aufhebung und entspricht dem vergaberechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere dann, wenn die Bieter durch die Rückversetzung nicht oder nur geringfügig benachteiligt werden, ist sie der Aufhebung vorzuziehen.

Umfang und Anwendungsbereich

Eine Rückversetzung ist grundsätzlich in jedem Stadium des Vergabeverfahrens möglich – selbst nach der Angebotsöffnung. Je nach Art des Verfahrensfehlers kann die Rückversetzung:

  • vor der Angebotsabgabe,
  • vor der Angebotsöffnung oder
  • vor einer Bewertungs- oder Präsentationsphase erfolgen.
Risiken und Anforderungen an die Dokumentation

Trotz ihrer Zulässigkeit ist die Rückversetzung kein beliebig einsetzbares Instrument. Besonders im Stadium nach der Angebotsöffnung besteht die Gefahr von Manipulationsverdacht, da dem Auftraggeber bereits die Inhalte der Angebote bekannt sind. In solchen Fällen ist besondere Vorsicht geboten.

Der sachliche Grund für die Rückversetzung muss daher ausführlich dokumentiert und im Vergabevermerk klar nachvollziehbar gemacht werden. Nur so lässt sich im Fall eines Nachprüfungsverfahrens belegen, dass die Rückversetzung nicht diskriminierend oder missbräuchlich erfolgt ist.

Fazit

Die Rückversetzung ist ein anerkanntes Mittel im Vergabeverfahren, welches erlaubt, fehlerhafte Verfahrensabschnitte gezielt zu korrigieren, ohne das gesamte Verfahren neu aufzusetzen. Sie ist dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und die vergaberechtlichen Grundsätze gewahrt werden. Für Auftraggeber ist die Rückversetzung ein flexibles Instrument, das Transparenz und Effizienz fördert – sofern es verantwortungsvoll und rechtssicher eingesetzt wird.