Kaskadenprinzip | Kaskade

Das Kaskadenprinzip, auch als "Kaskade" bezeichnet, beschreibt im deutschen Vergaberecht eine hierarchische Ordnung der Rechtsvorschriften, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte anzuwenden sind. Der Begriff „Kaskade“ stammt ursprünglich aus der Natur und bezeichnet einen stufenartigen Wasserfall – im rechtlichen Kontext steht er sinnbildlich für die gestufte und verbindliche Reihenfolge der anzuwendenden Normen. Im Falle rechtlicher Konflikte haben die Regelungen der höheren Ebene Vorrang vor den nachrangigen Ebenen. Dies stellt eine Besonderheit im Vergleich zu vielen anderen Rechtsbereichen dar, in denen detailliertere Gesetze üblicherweise Vorrang vor allgemeineren Normen haben.

Anwendungsbereich

Das Kaskadenprinzip findet Anwendung in Vergabeverfahren, die die festgelegten EU-Schwellenwerte überschreiten. Solche Aufträge müssen europaweit ausgeschrieben werden, wobei das Kaskadenprinzip eine klare Normenhierarchie für die Umsetzung dieser Vergaben auf nationaler Ebene vorgibt.

Die vier Ebenen des Vergaberechts

Im Oberschwellenbereich des deutschen Vergaberechts wird das Kaskadenprinzip in vier Ebenen gegliedert:

  1. EU-Richtlinien: Diese bilden die oberste Ebene und müssen durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Sie legen allgemeine Vorgehensweisen, Bekanntmachungsmuster und Mindestanforderungen fest.
  2. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): Dieses Gesetz implementiert die EU-Richtlinien auf nationaler Ebene und stellt die Grundlage für Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb im Vergaberecht dar.
  3. Nachgeordnete Verordnungen: Hierzu gehören die Vergabeverordnung (VgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und die Vergabeverordnung für Verteidigung und Sicherheit (VSVgV), die weitere spezifische Anforderungen für verschiedene Vergabeformen festlegen.
  4. Spezifische Vorschriften für Bauleistungen (VOB/A): Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) regelt die Vergabe von Bauleistungen und befindet sich auf der untersten Stufe des Kaskadenprinzips.
Änderungen durch Vergaberechtsreform

Durch die Reform des Vergaberechts wurden einige Änderungen in der Struktur des Kaskadenprinzips vorgenommen. Die früher eigenständigen Regelungen der VOL/A und der VOF wurden in der VgV zusammengeführt. Dadurch wurde das Kaskadenmodell bei Vergaben von Leistungen und freiberuflichlichen Leistungen von vier auf drei Ebenen reduziert. Trotz dieser Zusammenfassung wird für Bauleistungen weiterhin separat auf die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) verwiesen.

Bedeutung im Vergaberecht

Das Kaskadenprinzip sichert eine einheitliche, rechtskonforme und transparente Anwendung der Vergaberegelungen im Oberschwellenbereich. Es gewährleistet die korrekte Umsetzung der EU-Vorgaben auf nationaler Ebene, Rechtssicherheit für öffentliche Auftraggeber und Bieter, und eine klare Orientierung im komplexen Gefüge des Vergaberechts.